piwik no script img

Stoppok bei Boning – Feine Idee! Von Wiglaf Droste

„Nimm deine lustigen Songs und steck sie dir in den...“, heißt ein Song von Danny Dziuk, und gegen wen und was Dziuk seinen guten Rat richtet, bringt er nicht minder unmißverständlich zum Ausdruck: gegen ein Unterhaltungsverständnis, das seine Protagonisten ermuntert, sich Haribo in die Haare zu schmieren, für Toyota den Dummy zu machen, sich idiotisch grinsend an die Ecke zu stellen, sich für nichts zu schade zu sein und seine dergestalt schäbige Existenz als Beweis für bewundernswerte Flexibilität zu verkaufen.

In persona repräsentiert wird diese Sorte extrem aufdringlicher und höchst ununterhaltsamer Unterhaltung vor allem durch den schlüpfrigen, daueranzüglichen Thomas Gottschalk einerseits, andererseits und vielleicht sogar noch perfekter aber durch Wigald Boning, der den Einsatz seiner ohnehin sehr begrenzt komischen Mittel auf das Tragen blasenkatarrhfarbener Anzüge und eines schmallippig-schiefen, beinahe honeckerartigen Gesichtsausdrucks reduziert hat.

Zuweilen bindet sich Boning auch einen Schlips vor den nackten Oberkörper und singt etwas in eine Spülbürste hinein. Millionen Deutsche finden das komisch. Dagegen ist kein Kraut gewachsen; man kann sie ja schlecht alle erschießen, und sie selbst machen nun gar keine Anstalten, das zu tun – wahrscheinlich, weil sie denken, das sei nicht komisch. Und ob das komisch wäre!

Lustigerweise wird Danny Dziuk morgen abend in Wigald Bonings Sendung „RTL Samstag Nacht“ auftreten – allerdings nicht mit seinem Song über lustige Songs, sondern in seiner Eigenschaft als Keyboarder von Stefan Stoppok, der auch viel zu sympathisch ist, um im „Samstag Nacht“- Umfeld nicht mit Sicherheit angenehm deplaziert zu wirken.

„Mit Sicherheit“ heißt Stoppoks neue Platte, es gibt darauf ein paar Stücke, die genau die richtige Antwort sind auf den nach Schweiß und Furz riechenden, bundeswehrtauglichen Humor von Boning und seinen Leuten, und das gerade nicht, weil sie predigermäßig und sozialkritisch eingefärbt daherkämen, sondern weil sie sind, was der Humor von „Samstag Nacht“ nicht ist: genau und überraschend, komisch eben.

In „Ja genau“ hangelt und wurschtelt sich Stoppok so charmant durch die Zeilen, als wäre es live und er hätte, was bei ihm gerne vorkommt, seinen Text vergessen. Macht aber nichts, weil ihm schon etwas einfallen wird; so oft hat sich Stoppok dank seines maroden Textgedächtnisses in wilde Geschichten hineingeritten, daß man fürchten mußte, er improvisiere sich um Kopf und Kragen, und noch immer hat er sich unbeschadet wieder herausgefantert.

Den „Kebab“-Song, von Danny Dziuk und Moe Jaksch für Stoppok geschrieben, müßte einen aus jedem türkischen Büdchen der Welt rund um die Uhr ansuren: „Du mußt aber erst deinen Kebab bezahl'n, Kebab bezahl'n, Kebab bezahl'n“ – ein Mantra aus Fett und Fladenbrot, hymnisch.

Unschlagbar gut auf „Mit Sicherheit“ ist das knochentrockene Stück über Willi und Gerd, eine „Hey Joe“-Eifersuchtsgeschichte mit letalem Ausgang: „Das Klo zu dem er kroch, war von Villeroy & Boch.“ Wer die Perspektive kennt, weiß um die Hellsichtigkeit und Klasse dieser Zeilen. Bei „Samstag Nacht“ kann man sie nicht hören.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen