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Das PortraitAus vollem Lauf

■ Günter Herburger

Seinem poetologischen Credo, „mit dem Allernächsten zu beginnen und nicht mit Sprüchen, die schon seit Jahrhunderten benutzt werden“, ist er in all seinen Romanen, Gedichten, Erzählungen, Essays, Drehbüchern und Kindergeschichten treu geblieben. Doch was ihm das „Allernächste“ war, das hat sich in den Jahren seit 1964, als er mit einer Lesung vor der Gruppe 47 erstmals auf sich aufmerksam machte, gewaltig verändert – und durchaus exemplarisch für ein Schriftstellerleben in der Bundesrepublik. Heute wird er 65, Günter Herburger, geboren 1932 in Isny im Allgäu.

Was bei anderen Attitüde, ist bei ihm geballte Erfahrung: Bevor er sich auf die Schriftstellerei verlegte, arbeitete er als Sekretär, Straßenarbeiter in Nordafrika, Portier in München, als Fremdenführer, Bademeister, Journalist und Fernsehredakteur. Sein literarisches Debüt, der Erzählungsband „Eine gleichmäßige Landschaft“, zeigt ihn als nüchternen Realisten, der die Banalität des Alltags in der bundesdeutschen Kleinbürgerprovinz und die „knirschende Logik der Gewöhnung“ protokolliert. Nach Versuchen mit zeitgemäßen dokumentarischen Formen und Collagetechnik folgten 1973 der Beitritt zur DKP, antikapitalistische und antifaschistische Essays und ein Roman über die westdeutsche Industriegesellschaft. Gleichzeitig schrieb er aber auch die „Birne“-Geschichten, die seinen Ruf als Kinderbuchautor begründeten. Über 100.000 Birne-Bücher wurden verkauft, lange bevor der Kanzler unter gleichem Namen Karriere machte. Herburger war viel unterwegs und ist es bis heute – und zwar wortwörtlich: Über seine Leidenschaft des Marathonlaufens berichtete er 1988 in dem Buch „Lauf und Wahn“, einem skurrilen Plädoyer für die Erneuerung der Literatur aus Lunge und Wade. Von seinen zahlreichen Reisen gab er zuletzt in Büchern über das Glück und die Liebe Nachricht: unprätentiösen Reisefotografien mit kargen Kommentaren. Das genaue Hinsehen, die Wahrnehmung des Alltäglichen, scheint schließlich zum Verschwinden der Sprache zu führen, als könne man die Welt nicht mehr beschreiben, nur noch abbilden. Klar, daß es für einen Schriftsteller nicht bei dieser Erkenntnis bleiben kann: Herburger ließ 1996 seine Birne zurückkehren: Aus der Fassung und leicht erhitzt, streift sie wieder durch die Welt, leuchtet sie aus und entdeckt überall verrückte Geschichten. So ist die Literatur noch einmal gerettet. Jörg Magenau

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