: Große Auftritte - kleine Schritte
■ FDP beschließt Bildungsprogramm: Stärkung durch Privatisierung. Kräfteverhältnis der Flügel unverändert: Rechte blockieren Satzungsänderung
Beim Parteitag der Hauptstadt- Liberalen fehlten am Wochenende nur die Fernsehkameras: Der Bundesparteivorsitzende Wolfgang Gerhardt war in die Bütt gestiegen, als stünde die Bundestagswahl kurz bevor – und das nur, weil der Parteitag die erste öffentliche Gelegenheit war, sich über Kohls Kandidatur zu freuen.
Auch Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt nutzte das Podium. Zur Bildungspolitik, nicht direkt sein Schwerpunktthema. Aber wie es ein Parteimitglied formulierte: „In der jetzigen Situation mußte eine Rede von Rexrodt eingebaut werden.“ Nachdem Rexrodts Unterstützung aus seinem Landesverband öffentlich in Zweifel gezogen worden war, hatte der Landesvorsitzende Martin Matz schon zuvor angekündigt, Rexrodt demonstrativ zu unterstützen. In seiner Parteitagsrede griff Matz die Vertreter des rechten Flügels, die Spandauer Delegierten Alexander von Stahl und Wolfgang Mleczkowski, an: „Ich empfinde Ihre öffentlichen Angriffe auf Günter Rexrodt als zutiefst schädlich für den Landesverband“, sagte er. Rexrodt erhielt anschließend bei der Wahl der Delegierten zum Bundesparteitag die meisten Stimmen – 197 konnte er verbuchen. Das entspricht dem Stimmenanteil des liberalen Parteiflügels.
Mit der Nominierung Rexrodts und der Verabschiedung des Leitantrags zur Bildungspolitik, in dem Leistungskriterien für Hochschulen, weitgehende Privatisierungsvorschläge und eine Flexibilisierung des Schulwesens festgeschrieben wurden, konnte der Landesvorstand einen Teil seines angekündigten Weges zur „neuen FDP“, wie Matz sie nannte, beschreiten. Aber auch auf diesem Parteitag sorgte der ewig währende Streit zwischen den Nationalliberalen und der Parteimitte für Stimmung. Die phantasievollen Geschäftsordnungsanträge von Klaus Rösch, Vertreter des rechten Flügels, wirkten zeitweise wie Show-Einlagen. Die mit emotionaler Inbrunst von Rösch geforderten Abstimmungen zu untergeordneten Fragen hatten jedoch eine wichtige Funktion für die Parteirechten: Sie dienten zur Sammlung der eigenen Reihen für den eigentlichen Flügelstreit auf dem Parteitag. Obwohl keine wesentlichen Differenzen an den Sachfragen zwischen der Mehrheit des Landesverbandes und den Nationalliberalen in den Bereichen Bildung und Kultur laut wurden, beharkten sich die Flügel am sogenannten Domizilprinzip.
Seit nunmehr einem Jahr ringt der Vorstand darum, das Domizilprinzip in der Landessatzung zu verankern. Dieses soll verhindern, daß die Rechten eine schleichende Übernahme der Landespartei erreichen, indem Bezirksverbände mit schwungvollen Übertritten rechter Liberaler überrollt werden. Die für eine Satzungsänderung nötige Zweidrittelmehrheit bekam der Landesvorstand jedoch nicht zusammen und verschob die Abstimmung deshalb erneut. Barbara Junge
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