: Letzte Worte Von Mathias Bröckers
Ein Thema gab es, das ich für diese Kolumne absolut ausgeschlossen hatte: das Schreiben von Kolumnen. Wer Woche für Woche nach einer interessanten Wurst suchen muß, um seinen speziellen Senf dazuzugeben, wird nicht jedesmal gleich fündig. Und dann, den Horror vacui des weißen Bildschirms vor Augen und den Redaktionsschluß im Nacken, nicht auf das Naheliegendste zu verfallen und über das (Nicht-)Schreiben zu schreiben, gab es dieses Themenverbot. Wenn schon keine fette Wurst, dann sollte zumindest ein kleiner Knacker her, nur keinen Senf pur. „Von der allmählichen Verfertigung der Kolumnen beim Tippen“ und vor ähnlichen Lullen sind die Leser/innen also verschont geblieben, und das will was heißen, denn schließlich war diese Würstchenbude seit 1986 wöchentlich geöffnet. Fast 500 punktgenaue Hundertzeiler, aber nie eine Klage darüber, daß es heute eigentlich nur 70 Zeilen waren und die Verlängerung anstrengender als das ganze Spiel; kein Stöhnen, wenn es 230 wurden und soviel schöne Sätze gekürzt werden mußten; kein Ach und Weh über selten dämliche Leserbriefe und die stets fehlenden Waschkörbe von Glückwunschschreiben; kein Lamentieren über fehlende Ankündigungen auf der Titelseite.
Nein: Der Informations-, Wahrnehmungs- und Witz-Service, der Gute-Laune-Dienst am Kunden hatten stets Vorrang vor Selbstbespiegelungs- und Befindlichkeitsglossen. Wenn dann in Sachen Weltverbesserung nach dem obligatorischen Denkanstoß auch noch ein paar raumöffnende Pässe, Stilvorlagen oder befreiende Hackentricks gelangen, war der Kolumnist zufrieden. Falls ihm danach noch ein Stammkunde versicherte, es sei ja mal wieder „einfach gut“ gewesen, konnte sich beim Betreiber dieses Meinungs- Imbisses bisweilen sogar so etwas wie Glück einstellen. Zwar wäre ein Büchner- oder Pulitzer-Preis lukrativer gewesen, aber für längst vergessene Eintagsfliegen noch Jahre später gelobt, ja geliebt zu werden ist echt nicht schlecht. Ich hoffe, der Vorrat hält noch ein bißchen vor, denn diese hier ist die letzte Kolumne. Jetzt bliebe noch, allen Leser/innen für die Aufmerksamkeit zu danken und die Fans unter ihnen darauf hinzuweisen, daß ein „Best Of“ in Buchform geplant ist und einiges davon schon ab nächsten Monat im Internet (http:/www.HanfHaus.de/Bröc kers) zugänglich sein wird.
Aber so ist es, das gnadenlose Gesetz der Kolumne: Die Spalte ist noch nicht voll, und deshalb muß noch ein bißchen geblubbelt werden. Eigentlich geht so etwas nicht, denn wenn ein passender Schluß gefunden ist, kann er nicht ohne weiteres verlängert werden. Dann heißt es, oben im Text noch ein bißchen auffüllen, ergänzen. Aber nur keinen neuen Aspekt, sonst wird es unten wieder zu lang. Manchmal habe ich an solchen Feinarbeiten eine geschlagene Stunde gefummelt; heute spare ich mir diese Mühe, denn zu diesem seit elf Jahren aufgeschobenen Thema wäre noch so viel zu sagen, daß es aussichtlos ist, auch nur ansatzweise alles unterzubringen. Zumal wir jetzt ohnehin fast am Ende angelangt sind und hier jetzt nur noch eine Uralt-Pointe kommt, die ich mir ebenfalls immer verkniffen habe, wenn noch ein, zwei Zeilen und ein Abbremser fehlten. Der Autor sucht jetzt einen Schlußpunkt... aah, da ist er: .
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