: Berlin fühlt sich groß
Nach dem 2:0 gegen Lautern wird Hertha BSC bereits zum Bundesliga-Unternehmen ausgerufen ■ Von Peter Unfried
Berlin (taz) – Drinnen im VIP- Raum schien hell das Licht. Da muß es wunderbar gewesen sein. Draußen nämlich standen zum erstenmal die Massen und drückten die Nasen an die Scheiben. 2:0 hatte Hertha BSC gegen den vormaligen Tabellenführer 1. FC Kaiserslautern gewonnen, 75.000 waren im Olympiastadion, das zu erleben. Und das Schöne: Es war dies bloß „ein erster Vorgeschmack“. Das hat Otto Rehhagel in seiner großzügigen Art gesagt, der Trainer des 1. FC Kaiserslautern. Alle haben mit dem Kopf genickt. Es ist klar: mehr, mehr, nein, viel mehr ist zu erwarten. „Wir wissen jetzt“, sagt Axel Kruse frohgemut, „daß wir in der Bundesliga jedesmal so eine Kulisse haben können.“
Den Kapitän haben Klub und alliierte Medien zum Vorzeigefußballer aufgebaut. Sechs seiner 12 Saisontore sind zwar Strafstößen zu verdanken, doch das letzte und wichtigste wurde am Montag mitten aus dem Feld heraus erzielt. Marc Arnold hatte „wunderschön“ (Kruse) gepaßt und der Stürmer „im Augenwinkel ein dunkles Trikot gesehen“, das des herauseilenden Lauterer Keepers Gerald Ehrmann, sich noch gefragt, „was macht denn der hier“, dann aber sich nicht aufgehalten, sondern den Ball ins leere Tor geschoben (25.). Ehrmann (38) machte auch beim 2:0 mit, als er eine Flanke an die Hacke des Mitspielers Roos bugsierte (55.).
Das war ein Grund, warum Hertha gewann. Einen zweiten sah Trainer Jürgen Röber in den „gewonnenen Zweikämpfen“. Hertha „brennt“, wie Röber gerne sagt. Der FCK nicht. Für letzteren war es auch nur ein Spiel. Die Niederlage wird den Aufstieg nicht verhindern. Für Hertha soll sich eine Welt verändern. Als die Zahl 75.000 auf der Anzeigetafel aufleuchtete, gefährdete ein Jubelsturm das baufällige Olympiastadion. Der Gedankengang ist leicht nachzuvollziehen: Niemand in der Bundesliga hat so viele Zuschauer. Woraus folgt: Berlin ist spitze.
Da man in dieser Stadt für Untertreibungen nicht allzu viel übrig hat, kann man sich ausmalen, was in den nächsten Wochen kommen wird. Ufa-Chef und Hertha-Aufsichtsratsvorsitzender Rolf Schmidt-Holtz hat den „Durchbruch“ konstatiert. Kollege Rupert Scholz freut sich schon darauf, alles „haarklein dem Kanzler zu erzählen“. Die Berliner Zeitung hat gestern schon mal an zwei Spieler, nämlich den Keeper Jens Fiedler und den Ballgewinner Sixten Veit, das Prädikat „reif für die Bayern“ verteilt. Da zeigt sich feines Gespür für die Bedürfnisse der Stadt: Nur darum kann es gehen, nicht an Kaiserslautern, an den Bayern sich zu messen. „Hertha stürmt die Bundesliga“ titelt Bild, nicht bloß popelig „in die“.
Nur Jürgen Röber muß, schon aus Selbsterhaltungstrieb, bremsen. „Erstklassig“, fragte der Trainer, „so weit sind wir noch nicht.“ Puh, wie kleinlich. Der Manager Dieter Hoeneß dagegen weiß, was man hier hören will. Das Stadion so voll, daß Leute draußen bleiben mußten? Ist doch kein Problem, sagt Hoeneß, „für die finden wir in Zukunft schon Platz“. Wo? Egal. Der Mann, man merkt es, ist bereits ein echter Berliner.
1. FC Kaiserslautern: Ehrmann - Kadlec - Koch (46. Ratinho), Schäfer - Greiner, Roos, Rufer (67. Wegmann), Brehme (63. Riedl), Wagner - Kuka, Rische
Zuschauer: 75.000; Tore: 1:0 Kruse (25.), 2:0 Roos (55./Eigentor)
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