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„Der bewaffnete Kampf ist das einzige Mittel“

■ Im Oktober 1996 tauchte Kabila als „Sprecher“ der frischgegründeten AFDL auf, als sich Mobutu-Gegner dem Kampf zairischer Tutsi gegen Vertreibung anschlossen

Kabilas politische Wiederauferstehung erfolgte am 18. Oktober 1996. An diesem Tag erfolgte in Lemera, einem kleinen Ort in der ostzairischen Provinz Südkivu, die offizielle Gründung der Allianz demokratischer Kräfte für die Befreiung von Kongo/Ex-Zaire (AFDL). „Nach der Feststellung, daß es dringend nötig ist, die gegenwärtige Lage der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit zu verändern, und in der Überzeugung, daß der bewaffnete Kampf das einzige Mittel zur Wiederherstellung einer neuen demokratischen Macht in Zaire ist“, heißt es im Gründungsaufruf, bildeten vier politische Gruppen – darunter die Partei der Volksrevolution (PRP) von Kabila – die AFDL als „politischen Rahmen der Zusammenarbeit“ mit Kabila als „Sprecher“.

Die anderen Parteien neben der PRP waren der Nationalrat des Widerstands für die Demokratie (CNRD) von Ngandu Kisasse, eine lumumbistische Partei aus Kasai; die Revolutionäre Bewegung für die Befreiung von Zaire (MNRZ) von Nindaga Masasu, eine bewaffnete Gruppe des Shi- Volkes aus Südkivu; und die Demokratische Volksallianz (ADP) von Déogratias Bughera, ein Tutsi aus Nordkivu.

Die AFDL war somit ein Zweckbündnis zwischen verschiedenen Feinden Mobutus. Unmittelbarer Anlaß für ihre Entstehung war der bewaffnete Aufstand der Banyamulenge-Tutsi in Südkivu gegen das zairische Regime, das sie als Ausländer betrachtete und ab Sommer 1996 aus dem Land jagen wollte – genauso wie in den Jahren davor die Banyamasisi- Tutsi in Nordkivu Opfer von Massenvertreibungen nach Ruanda geworden waren. Im September 1996 kam es in Südkivu zu ersten bewaffneten Auseinandersetzungen, wobei zuvor vertriebene Tutsi aus Ruanda und Burundi wieder als Guerillakämpfer nach Zaire einrückten. Am 8. Oktober setzte die Provinzregierung von Südkivu den 400.000 Banyamulenge ein einwöchiges Ultimatum, Zaire zu verlassen – ein selbst für Mobutu beispielloser Akt der ethnischen Säuberung. Der Konflikt drohte, zu einem regionalen Krieg zu eskalieren. Die verfolgten Banyamulenge-Führer nahmen Gespräche mit Exilzairern in Ruanda auf, die schließlich zur Gründung der AFDL führten. Einigen Berichten zufolge war die Einsetzung Kabilas als Sprecher der Allianz eine Bedingung von Ruanda, um die Banyamulenge zu unterstützen. Aus diesem Grund werfen manche zairischen Oppositionellen Kabila vor, eine Marionette Ruandas zu sein. Aber ohne die Beteiligung des nach wie vor legendären PRP- Führers mit seiner Anhängerschaft in seiner Heimatprovinz Shaba und des Exilaktivisten Kisasse aus Kasai hätten die Banyamulenge- Tutsi es nie geschafft, ihre militärisch erfolgreiche Revolte zu einem politisch bedeutungsvollen gesamtzairischen Aufstand zu verbreitern.

Die Einbindung des Shi-Führers Masasu war nötig, um dem Eindruck entgegenzuwirken, es gehe den Tutsi um die Vorherrschaft in Südkivu. Das politische Leben in dieser Provinz ist gekennzeichnet von alten Spannungen zwischen den Banyamulenge auf der einen Seite und den Shi- und Bembe-Völkern auf der anderen. Diese Problematik ist auch heute nicht völlig überwunden. Bewaffnete Einheiten der Bembe kämpfen noch immer in Teilen Südkivus gegen die AFDL.

Die Gründung der AFDL blieb zunächst unbemerkt. Aber nach dem 18. Oktober 1996 begannen die Banyamulenge, militärische Erfolge gegen die zairische Armee zu erzielen. Kabila selber trat erstmals am 31. Oktober öffentlich auf, als er in der gerade von der AFDL eroberten Grenzstadt Uvira dazu aufrief, Mobutu zu „verjagen“ – ein Ziel, von dem er bis heute nicht abgerückt ist und mit dem er unter den 45 Millionen Zairern ungeahnte Begeisterung erweckt hat. Dominic Johnson

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