■ Mit der Abtreibungspille auf du und du: Hoechst steigt aus
Paris (AFP/dpa/rtr) – Die französische Hoechst-Tochtergesellschaft Roussel Uclaf stellt die Produktion und die Verbreitung der umstrittenen Abtreibungspille RU486 (Mifepristone) ein. Das gab das Pharmaunternehmen gestern in Paris bekannt.
Die Herstellerrechte erhält der ehemalige Roussel-Uclaf- Vorstandsvorsitzende Edouard Sakiz, der zur Entwicklung der ersten wirksamen Methode für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch Anfang der 80er Jahre beigetragen hatte. Sakiz muß für die Rechte nichts bezahlen. Er habe künftig die Verantwortung für „Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, Produktion, Vertrieb und Verkauf dieses Produktes“.
In Frankreich wurde das Präparat seit 1988 angewandt. Es war außerdem noch in Großbritannien und Schweden im Handel. In Deutschland wurde das Mittel nicht zugelassen. Der Verzicht entspreche der Position des Hoechst-Konzerns, so der Sprecher gestern. „Er bedeutet das vollständige, endgültige und unwiderrufliche Abrücken des deutschen Konzerns von Mifepristone“, hieß es.
Das Medikament hatte dem Hoechst-Konzern in den vergangenen Jahren kaum Umsatz, dafür aber eine Menge von Imageproblemen gebracht. 1996 hatte die Hoechst-Tochter Hoechst Marion Roussel mit der Pille gerade sechs Millionen Mark umgesetzt. Abtreibungsgegner in den USA hatten noch in den vergangenen Tagen mit großen Zeitungsanzeigen zum Boykott anderer Medikamente von Hoechst Marion Roussel aufgerufen, um den Konzern zum Verzicht auf die Abtreibungspille zu zwingen. Ziel des Boykotts war das ökonomisch vielversprechende Allergiemittel Allegra. Auch Hinweise von Hoechst, daß in den USA die Rechte an der Pille RU486 bei der Stiftung Population Council liegen, konnten den Boykottaufruf nicht stoppen.
Die Pille RU486 gilt als das erste wirksame Medikament für einen frühzeitigen Schwangerschaftsabbruch. RU486 verhindert die Bildung des Hormons Progesteron, mit dessen Hilfe sich die befruchtete Eizelle in der Gebärmutter einnistet. Daraufhin wird eine Fehlgeburt ausgelöst. Der Schwangerschaftsabbruch kann so ambulant, ohne chiriurgischen Eingriff erfolgen. Wird das Mittel mit Prostaglandin kombiniert und innerhalb der ersten neun Wochen nach der Befruchtung eingesetzt, ist die Wirkung nahezu hundertprozentig. Wegen der geringen Dosierung der Substanzen werden mögliche Nebenwirkungen wie Schmerzen und Übelkeit als gering eingestuft.
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