„Tamilen leben in Unsicherheit“

■ Tamilischer Anwalt warnte bei einem Besuch in Bremen vor Abschiebung tamilischer Asylbewerber: „Das wäre kriminell“

Der letzte Überfall auf das Haus des tamilischen Rechtsanwalts Kumar Ponnambalam in Colombo, der Hauptstadt Sri Lankas, liegt nur wenige Wochen zurück. „Wenn Menschen wie mir solche Dinge passieren, können Sie sich vorstellen, was dem normalen Tamilen auf der Straße geschieht.“Mit dieser anschaulichen Schilderung trat der honorige Anwalt, zugleich Mitbegründer der gemäßigten Tamilenpartei „All-Ceylon Tamil Congress“, in dieser Woche vor Bremer JournalistInnen und Anwälte im Überseemuseum. Dort wurde der Anwalt, der unter den Sondergesetzen „zur Vorbeugung gegen Terrorismus“in rund 95 Prozent aller Verfahren gegen Tamilen als Verteidiger auftritt, konkret – wie bereits eine Woche zuvor in Genf, wo er vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen über die Situation der Tamilen in Sri Lanka sprach.

„Menschenrechtsverletzungen gegen Tamilen sind nicht nur in den Kriegsgebieten im Norden und Osten Sri Lankas an der Tagesordnung“, warnte Ponnambalam. „Sie treffen auch für Colombo zu. Dort werden Tamilen täglich wahllos eingekesselt, inhaftiert, überprüft – und manchmal tagelang gefangengehalten. Darunter schwangere Frauen und Mütter mit Kindern.“Die Liste der Vergehen umfasse Freiheitsberaubung, illegale Verhaftung auf unbestimmte Dauer, Folter und rechtswidriges Erzwingen von Geständnissen bis hin zum Verschwinden-Lassen und Ermorden von Menschen. Alle diese Vorwürfe gegen das „völlig unehrenhafte Regime“von Präsidentin Chandrika Kumaratunga könne er im Einzelfall belegen, sagte Ponnambalam. Auch sei er jederzeit bereit, als Zeuge über die Verhältnisse in Sri-Lanka vor deutschen Gerichten auszusagen. „Ich habe angeboten, gemeinsam mit dem Botschafter Sri Lankas im deutschen Fernsehen aufzutreten“, so der Anwalt sachlich. Sein Ziel: Die Abschiebung von tamilischen Flüchtlingen nach Sri Lanka zu verhindern. „Davor kann man nur warnen. Jeder, den die Regierung verdächtigt, ein abgeschobener Asylbewerber zu sein, gerät am Flughafen für mindestens zwei Wochen in Haft.“Bis hin zum spurlosen Verschwinden der betroffenen Person sei alles möglich.

Zwar seien Fälle von Vermißten direkt am Flughafen nicht mit Zahlen belegt, doch gehe er von rund 700 landesweit gemeldeten Fällen von „verschwundenen“Personen aus. Allein in und um Colombo würden rund 1.000 Tamilen in Camps festgehalten. Er habe als Anwalt oft mit erzwungenen Geständnissen zu tun. Diese allerdings könne er vor Gericht fast immer widerlegen. Erschwerend komme hinzu, daß die Sondergesetzgebung der Polizei Inhaftierungen erleichtere – und frühere Rechtsgrundsätze für Geständnisse ausgehebelt habe. „Heute kann jeder beliebige Polizist ein Geständnis aufnehmen.“Diesem „schreienden Unrecht“allerdings könnten sich viele Menschen nicht entziehen: „Ich kenne eine Reihe von Fällen, wo die Menschen nach einem erpreßten Geständnis nicht noch die Kraft hatten, vor Gericht dagegen anzugehen“. Wegen der Intensivierung des Krieges wäre es kriminell, Tamilen aus anderen Ländern nach Sri-Lanka zu schicken.

Eine Hoffnung nimmt der engagierte Mann mit nach Hause. Sie liegt in einem Schreiben der Europäischen Kommission vom Februar. Darin heißt es: „Ich kann Ihnen im Auftrag von Präsident Santer versichern, daß die Europäische Kommission nicht beabsichtigt, sich an einem Rückführungsprogramm für die Flüchtlinge zu beteiligen, bevor der Frieden in Ihrem Land wieder hergestellt ist.“Dieses Schreiben wird der Anwalt als Kopie mit zurücknehmen. Man hat ihm bei der Ausreise zwar Dokumente durchsucht und beschlagnahmt. „Das Ausmaß der Drangsalierung, dem wir ausgesetzt sind, können Sie sich kaum vorstellen, wenn Sie es nicht erlebt haben“, sagt er. Aber: „Da können Sie sicher sein, ich bringe alle diese Dokumente in mehrfacher Ausführung wieder mit zurück.“ ede