■ SURFBRETT: Militärisches Sperrgebiet
Es war immer schon Unsinn, von den grenzenlosen Weiten des Cyberspace zu schwärmen. Amerikanische Militärs haben das Netz in Auftrag gegeben und zur Zeit nur ausgeliehen. Was Zivilisten damit anstelllen, interessiert sie einfach nicht. Mögen die sich über die Meinungsfreiheit, die Verfassung und die Zensur in die Haare geraten – es gibt Dinge, die sie rein gar nichts angehen. Erstaunlich ist daran nicht das selbstverständliche militärische Bedürfnis nach Geheimhaltung, sondern die Öffentlichkeit, mit der es auch im Internet verfolgt wird.
Biologische, gentechnische Kriegführung zum Beispiel ist eine Schreckensvision von öffentlichem Interesse. Kaum verwunderlich ist deshalb, daß auch die amerikanische Armee eine Abteilung unterhält, die sich mit solchen Kriegen beschäftigt. Sie ist im Internet erreichbar unter der absolut nicht geheimen Adresse http://www.cbdcom.apgea.army.mil/ cbdcom/. Ein auffällig stilisierter, wahrscheinlich bereits mutierter Adler wacht über den schönen Sinnspruch „Con sciencia defendimus“. „Mit Wissenschaft verteidigen wir“, so läßt sich das beruhigenderweise übersetzen, und fast schon zutraulich geworden, möchte man nun gern wissen: Wie denn?
Das Inhaltsverzeichnis sieht vielversprechend aus. Ganz oben stehen „Visionen und Werte“ des „US-Army Chemical and Biological Defense Command“, also nichts, was dem vollkommen lächerlichen Wunsch entspräche, ausgerechnet im World Wide Web militärische Geheimnisse aufdecken zu wollen. Es geht um allgemeine Informationen, an deren Verbreitung auch eine Armeeinheit ein prinzipiell legitimes Interesse haben kann.
Ein gewisses Grauen scheint sich gleichwohl bis in die Tastatur hineinzuschleichen. Warum eigentlich war diese Seite so blitzschnell geladen? Als gäbe es die ewigen Datenstaus nicht, über die Zivilsten jammern. Und warum reagiert der Server jetzt plötzlich auf gar nichts mehr? Es gibt aufregende Menüpunkte wie den „Product Manager for Smoke/Obscurants“, und harmlose wie „What's New?“. Doch gleichgültig welchen man anklickt, der Server antwortet nicht.
„Could be down“, meldet der Browser brav zurück, aber das trifft hier ganz sicher nicht zu. Dieser Server arbeitet perfekt. Er hat die Anfrage erkannt und behandelt sie nach seinen Regeln. Sie ist nicht einmal zu einer nichtssagenden Antwort zugelassen. Sie existiert einfach nicht, sowenig, wie ein für Manager für „Rauch und Verdunklungen“ je existiert hat. niklaus@taz.de
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