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Keine Angst vor der Soutane

■ „Laibach“im Schlachthof: Düster-Rock ohne Düster-Ideologie

In den 80ern hantierten „Laibach“mit Hakenkreuz-Symbolik und spielten teutonisch tönende Coverversionen internationaler Hits. Das brachte ihnen schnell den Vorwurf ein, eventuell Nazis zu sein. Darauf angesprochen erwiderten sie nur, sie wären Vertreter der „Neuen Slowenischen Kunst“(NSK). Bis heute weiß niemand, ob das ja oder nein heißt. Jedenfalls wurden die Empörten müder. Als die Slowenen später andere Massenphänomene wie die Beatles oder den Katholizismus thematisierten, warf ihnen niemand vor, Katholiken oder die Beatles zu sein. Beim Konzert am letzten Mittwoch gab es vorm Schlachthof keine zornigen Flugblattverteiler und nicht überdurchschnittlich viele Störenfriede im Publikum. Mißmutige Stimmen waren während des Auftritts im Herrenklo zu belauschen: „Das ist so erbärmlich! Die sind sowas von out! Und das Publikum ist auch sowas von out! Das hat doch überhaupt keinen künstlerischen Wert!“

Ob „sowas von out“oder nicht, das Publikum war immerhin zahlreich erschienen, als „Laibach“mit majestätischer Verspätung und sakralem Chor-Intro die Bühne betraten. Sie eröffneten mit zwei erfrischend brutalen Coverversionen der im Original unsäglichen Soft-Rock-Songs „The Final Countdown“und „In the Army now“. Wie es sich für echte Performance-Künstler gehört, gab es dazu großformatige Videoprojektionen hinter den Musikern. Zunächst handelte es sich um Kamerafahrten durch maschinelle Innenleben mit Fritz Lang-Touch, später gab es rotierende Kreuze, flackernde Feuer, Nervengewebe und sogar eine Friedenstaube. Versöhnlich auch das eingeblendete Motto: Der Planet NSP sei der erste globale Staat des Universums.

Abgesehen vom Frontmann mit dem freien Oberkörper und der seit den frühen 80ern scheinbar festgewachsenen Ledermütze trugen die „Laibach“-Musiker allesamt schwarze Outfits mit Priester-Kragen. Sie bewegten sich kaum und richteten jenseits der Song-Texte keinerlei Worte ans Publikum. Dementsprechend streng kam die Musik daher. Ein wuchtiges Schlagzeug, unterstützt von zwei Bonus-Pauken und gelegentlichen Maschinen-Beats, gab den unerbittlichen Takt vor. Dazu hauten die Gitarren Metal-Akkorde herunter, brachen aber nie aus der geradlinigen Struktur aus. Schließlich mußte man ja auch im Takt der Video-bilder bleiben. Über all dem gröhlte und grummelte der Sänger mit Grabesstimme. Wenn es noch mehr donnern sollte, kam der Sample-Chor wieder an die Reihe.

Das war musikalisch gut durchdacht und gut gemacht, war auf die Dauer aber auch arg variationsarm. Von Performance-Art keine Spur, eher ein bebildertes Konzert. Ebenso wenig wollte sich die Unbehaglichkeit einstellen, von der in Zusammenhang mit „Laibach“-Auftritten immer wieder berichtet wird. Nicht mal, als zu guter letzt die umstrittenen Queen- und Opus-Cover „One Vision“und „Life is Life“gespielt wurden, die mit Zeilen wie „Eine Rasse und ein Volk, ein starker Wille – gebt mir ein Leitbild“dereinst für publicitiyträchtige Verwirrung sorgten. Am Mittwoch mußte niemand vor diesen Düster-Rockern Angst haben. Andreas Neuenkirchen

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