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Haider auf Kreuzzug

Österreichs traditionell säkularistische Rechtsaußenpartei buhlt um die katholischen Wähler  ■ Aus Wien Ralf Leonhard

Der Aufruf zum „wehrhaften Christentum“, den Fraktionschef Ewald Stadler in das neue Parteiprogramm der österreichischen Freiheitlichen hineinredigieren will, hat nicht nur in der eigenen Partei, sondern auch in der Kirche eine heftige Polemik ausgelöst. Stadler hatte vorgeschlagen, bei der anstehenden Reform des Parteiprogramms von der traditionell säkulären Haltung abzugehen. Statt dessen sollen sich Österreichs Rechtsaußen gegen die vermeintliche Ausbreitung der nichtchristlichen Religionen zur Wehr setzen.

Während die antiklerikale Funktionärsschicht der Partei die politischen Grundfesten erschüttert sieht, wittern die katholischen Laienverbände billigen Opportunismus, der Jörg Haiders rechtspopulistische Partei in den katholischen Bundesländern mehrheitsfähig machen soll.

Unterdessen warnt Haider vor der Gefährdung des Abendlandes. Die Türkenkriege im 16. und 17. Jahrhundert seien wohl nicht geführt worden, damit jetzt türkische Eltern die Entfernung der Kruzifixe aus den Klassenzimmern fordern. Bei seinem Kreuzzug gegen die Ungläubigen hat Haider im hohen Klerus einen schwergewichtigen Verbündeten: den erzreaktionären Bischof von St. Pölten, Kurt Krenn. Die von der Kirche empfohlene Äquidistanz zu den politischen Parteien hält er „für einen Holler“, also für Unsinn. Kardinal König, dem während der Kreisky- Ära in den 70er Jahren die Versöhnung der katholischen Kirche mit der SPÖ gelang, befürwortet zwar das politische Engagement von Laien, verlangt jedoch von „allen, die in der Kirche letzte Verantwortung tragen“, Zurückhaltung in der politischen Diskussion.

Der Streit, den Krenn innerhalb der Bischofskonferenz ausgelöst hat, ist brisant: Die älteren Österreicher erinnern sich an die Zeit des autoritären Ständestaates in der Ersten Republik, als die Kirche über die Christlich-Soziale Partei regierte und mit Ignaz Seipel sogar einen Bundeskanzler stellte.

Das Parteiprogramm der FPÖ ist zwölf Jahre alt, stammt also noch aus der liberalen Phase, bevor Jörg Haider aus der um die fünf Prozent oszillierenden Randgruppe eine Partei mit Anspruch auf den Regierungsvorsitz machte. Die 300.000 ehemaligen ÖVP- Wähler, die jetzt für Haider stimmen, werden nur als Vorhut betrachtet. An die Kernschichten des katholisch-bürgerlichen und bäuerlichen Lagers meinen die Strategen erst mit dem Kniefall vor dem Kruzifix herankommen zu können. Um den Preis des Wirbels in den eigenen Reihen: Daß die Parteifunktionäre zum sonntäglichen Kirchenbesuch aufgefordert werden, erschüttert die Grundfesten der traditionellen liberalen Ideologie. Deswegen setzte der Wiener Landesverband die Verschiebung des Bundesparteitags von Juni auf Herbst durch.

Auf dem Parteitag der Wiener FPÖ am vergangenen Sonntag, wo die Medien einen Showdown zwischen Landesparteiobmann Rainer Pawkowicz und Jörg Haider erwartet hatten, wurde das Thema weitgehend umschifft. Denn Haider konnte den Mann, der seine Partei im vergangenen Oktober zur zweiten Kraft in der Bundeshauptstadt gemacht hatte, nicht öffentlich brüskieren. Mit dem Bonmot, es hieße jetzt „weder los von Rom noch los nach Rom“, vertagte Pawkowicz die Debatte.

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