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Die Geister von 68 und der Geist von 89

■ Linke bei den Bündnisgrünen und den Sozialdemokraten suchen mit der PDS nach gemeinsamen Inhalten, um in den Wahlkampf ihrer Parteien einzugreifen

Hannover (taz) – Man stelle sich vor, SPD, Grüne und PDS forderten zur Verkehrsbegrenzung gemeinsam im Bundestagswahlkampf Produktions- und Importkontingente für Autos. Diese Quoten würden meistbietend an die Autoindustrie vergeben.

Nicht vorstellbar? Nun, vielleicht braucht man den Optimismus eines Willy Brüggen, der schon vor zehn Jahren eine „relative Mehrheit“ für einen solchen ökologischen Umbau gegeben sah, die im „Nadelöhr der Partei und Wahlpolitik“ hängengeblieben ist. Vielleicht bedarf es der Zuversicht eines Frieder O. Wolf, daß „wir jenseits des Höhepunktes neoliberaler Hegemonie“ sind und „eine breite gesellschaftliche Widerstandsbewegung“ entsteht. Vielleicht gehört dazu auch der Ärger eines Eckard Spoo über die „imperialistische Ausrichtung des Finanz- und Industriekapitals“ und das nüchterne Kalkül eines Wolfgang Gehrcke, daß man den Wahlkampf „auf die Reformalternative zuspitzen muß“, um auf die Realitätstauglichkeit der Autoproduktions-Quote zu setzen.

Die vier eint der Wille zu einem „radikalreformerischen Neuanfang“, sie trennt ihre parteipolitische Orientierung. Um dieses Trennende zu überwinden, waren die beiden Grünen Brüggen und Wolf mit dem PDS-Spitzenmann Gehrcke und dem der SPD zugetanen Spoo am Wochenende zu einer Tagung in Hannover zusammengekommen. Mit 80 politisch Gleichgesinnten suchten sie einen Tag lang programmatische Gemeinsamkeiten zu den zentralen Politikfeldern „Zukunft der Arbeit“ und „Ökologischer Umbau“.

Die Suche ist kein Selbstzweck. Seit zwei Jahren trifft sich der Kreis zum „Crossover“ um, wie Brüggen es formuliert, „die inhaltlichen Deckungsflächen“ zwischen den drei Parteien auszuloten und Einfluß auf deren Programmbildung zu nehmen. Der Einfluß ist begrenzt, denn der ehemalige Berliner Landespolitiker Brüggen und der Europaabgeordnete Wolf gehören selbst im linken „Babelsberger Kreis“ der Grünen zu den Linken, und die Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft, deren Redaktion die sozialdemokratische Seite des Crossover verkörpert, ist im linken „Frankfurter Kreis“ der SPD allenfalls lose verankert. Ihr Mentor Peter von Oertzen siedelt denn auch den Einfluß auf sozialdemokratische Wahlprogamme nahe an der Wahrnehmbarkeitsgrenze an. Allein die PDS wartet mit Parteiprominenz auf. Der stellvertretende Vorsitzende Gehrcke kennt als ehemaliger DKPler die Links-SPDler bereits „zehn kalte Winter lang“.

Früher haderte man allerdings noch um die richtige Deutung des staatsmonopolistischen Kapitalismus, nun entfacht sich der Disput allenfalls bei der Tarierung des staatlichen Anteils an der Finanzierung der Vollbeschäftigung.

Gehrcke weiß um den propagandistischen Wert, den diese zarte Pflanze einer Drei-Parteien- Gemeinsamkeit angesichts der von SPD und Grünen offiziell vertretenen Abgrenzungsposition hat. Nach seinem Willen soll die Debatte in eine gemeinsame Plattform münden, „um in den Wahlkampf einzugreifen“. Das Vorhaben dient als inhaltliche Unterfütterung dessen, was eine Reihe linker Politiker und Intellektueller, unter ihnen auch von Oertzen und Spoo, Anfang Januar mit der „Erfurter Erklärung“ initiiert haben. Eine außerparlamentarische Bewegung soll angestoßen werden, in den Streiks der Metallarbeiter und Kohlekumpel sehen die am Sonntag versammelten bereits hoffnungsfrohe Ansätze.

Für Dezember ist ein Kongreß geplant, auf dem die bis dahin erarbeiteten Gemeinsamkeiten verabschiedet werden sollen. Zwar waren in einigen theoretischen Positionen auch Differenzen erkennbar, zwar hadern Parteigänger der PDS mit der dominanten Bedeutung der Ökologie und zweifeln an der Umsetzbarkeit radikaler Arbeitszeitmodelle in Ostdeutschland. Doch freut sich Gehrcke, daß die Differenzen nicht mehr parteipolitisch zu sortieren seien, und auch Brüggen dient der Disput zum Gutteil dazu, parteipolitische Vorgartenzäune einzureißen. „Die Erfahrung von 1968 und der Geist von 1989 sind für 1998 aufgerufen, den Machtwechsel herbeizuführen“, lautet eine Devise der Erfurter Erklärung. Einer der Unterzeichner, der Sozialdemokrat Edelbert Richter, ergänzte am Sonntag: „Die Revolution von 89 ist noch nicht zu Ende.“ Mancher Revolutionär von 68 allerdings auch noch nicht. Dieter Rulff

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