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Bauen Bürger Bomben?

■ Datenschutzbericht '96: Bürgertelefon abgehört, Chaostage-Akten beim Staatsschutz

„Worum geht es denn in ihrem Fall?“, fragt die Dame vom Bremerhavener Magistrat am anderen Ende der Leitung. Höflich ist sie, und der hilfesuchende Bürger plaudert gleich erleichtert los. Allerdings ohne zu wissen, daß sein Anruf an einer Abhöranlage hängt. Denn künftig soll jeder Bürgeranruf im Bremerhavener Magistrat für zwölf Minuten aufgezeichnet werden – zur Gefahrenabwehr. „In heutiger Zeit mehr denn je“sei mit allen Mitteln einem Sabotage- oder Terror-Anschlag vorzubeugen, heißt die Begründung aus der Seestadt. Gegen derlei Bombenängste ist sogar der Bremer Datenschutzbeauftragte Stefan Walz machtlos: Obwohl das Vorhaben strafbar ist, will der Magistrat weiter mitschneiden.

Die Bremerhavener Telefonanlage ist nur einer von zig Fällen, die im vergangenen Jahr bei Bremens oberstem Datenschützer auf dem Tisch landeten. Sie alle hat Stefan Walz jetzt in seinem neuesten Datenschutzbericht '96 aufgeführt und gestern der Journaille präsentiert. „Keine großen Skandale“, diktierte er den mehr oder weniger enttäuschten Schreiberlingen in die Feder. Denn Walz, der Bremens Verwaltungsapparat samt senatorischer Behörden, der Bürgerschaft und der Polizei berät und überwacht, mag keine Fälle, „die medienmäßig ausgeschlachtet werden.“Ob schluriger Umgang mit Daten von festgehaltenen Personen bei den Chaostagen, schlampige Telefonüberwachungen bei der Bremer Polizei oder eine vor-Bomben-schützende Bremerhavener Telefonanlage: Der Datenschützer hält sich mit Wertungen zurück und orientiert sich lieber an der jeweils „sachlichen Richtigkeit“.

Und gerade die hatte Walz im Bremerhavener Telefonfall arg bezweifelt: „Verständnis für das Anliegen“hätte er ja aufgebracht. Doch eine Überprüfung des Falls hätte gezeigt: In den vergangenen 15 Jahren gingen im Magistrat nur bis zu sechs Bombendrohungen ein. Die Aufzeichnung dieser Anrufe „per Knopfdruck“sei daher angemessener. Sonst sei das Mitschneiden eindeutig strafbar. Sprachs und stieß beim Magistrat auf Granit: „Wenn sie es trotzdem machen, sind mir die Hände gebunden. Ich gehöre selbst zur Verwaltung und kann daher nur Empfehlungen aussprechen und den zuständigen Senator informieren.“

Angst vor Terror scheint auch die Bremer Polizei umgetrieben zu haben. So jedenfalls liest sich der Datenschutzbericht zum Punkt „Chaostage im August 1996.“Der Datenschützer hatte die „Datenaufnahme“von rund 310 Personen überprüft, die im August in Gewahrsam genommen wurden. Das Ergebnis: Der größte Teil der Unterlagen samt Polaroid-Fotos der Betroffenen sowie Protokollen war im Referat K7 gelandet, das auch für den Staatsschutz zuständig ist – obwohl die Unterlagen dort laut Walz gar nichts zu suchen hatten. Solche Akten gehören nämlich in den ganz normalen Vollzugsbereich und müssen nach einer Jahresfrist vollständig gelöscht werden. „Akten umordnen“, hatte Walz also dem Polizeipräsidium geraten – und die Empfehlung wurde „weitgehend“eingehalten.

Der Staat selbst steht dagegen in diesem Jahr eher auf der datenschutzrechtlichen „Sonnenseite“: Anfragen beim Verfassungschutz für Justiz- und Polizeibeamte wurden abgeschafft. Auch bei allen Bewerbern für den öffentlichen Dienst fallen Auskünfte aus dem Bundeszentralregister weg. „Endlich wurden diese alten Zöpfe abgeschnitten“, freut sich der Datenschützer, der jedoch in den kommenden Monaten eine neue große Aufgabe vor sich hat: Ein Datenschutzkonzept für die „online-Verwaltung 2005“will erarbeitet werden. Damit der Online-Kontakt von BürgerInnen mit Ämtern so anonym wie möglich bleibt – im Gegensatz zum Bremerhavener Telefonanlagen-Fall. kat

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