: Praktische Gratis-Kolumne im zeitlosen Design Von Susanne Fischer
Haben Sie schon das Maniküre- Set, unentbehrlich in jedem Haushalt? Den herrlichen Porzellan- Charakter-Clown? Das fünfzehnteilige Kaffeebesteck, vergoldet, eine Augenweide? Wenn nicht, waren Sie noch nie auf einer Kaffeefahrt. Das sind jene Bustouren, während denen Rentner mithilfe angestaubter Schlagerstars so lange eingeschüchtert werden, bis sie zu ihren „kostbaren Gratisgeschenken“ (siehe oben, aber: Sind Geschenke nicht eigentlich immer gratis?) zwei Dutzend Rheumadecken für ihren Dackel bestellen.
Das Frühjahr scheint die beste Saison für diese Form des Seniorenausweidens zu sein, denn schon stapeln sich Postwurfsendungen im Kasten, die den „Friesennachmittag mit Tanztee“ und dergleichen erregende Unternehmungen (mit einer Dose echter Hausmacherwurst in herrlichen Farben und einem Pfund vergoldetem Kaffee) auf Hochglanz anpreisen. Wer möchte nicht mal von Heino- Imitatoren niedergebrüllt werden? Im Frühjahr will auch der Rentner auf die Weide, und falls er sich so weit nicht traut, wird für die ängstlichen Kandidaten auch ein Kaffeetrinken „in Ihrem schönen Ort“ veranstaltet.
Die Angebote sind durchaus unterschiedlich. Begnügen sich einige Veranstalter mit „1 schmackhafter Salami und Diät-Margarine“, führen andere einen halben Haushalt ins Feld, mit Wasserkocher und Kaffeemaschine etc. Liest man das Kleingedruckte, verwandelt sich das „und“ zwischen den Artikeln allerdings in ein „und alternativ“, was vor der Rechtschreibreform wohl mal „oder“ hieß.
Findige Mitbürger müßten es eigentlich schaffen, sich eine ganze Kücheneinrichtung zu erleiden mit geduldigen Ohren, dicker Haut (an der die moralische Nötigung des Oberverkäufers abgleitet) und breitem, dem Bussessel angepaßten Formfleisch sowie dem festen Willen, nicht aufzugeben, bevor man hat, was einem zusteht. Die letzte Eigenschaft steht im Kanon der deutschen Tugenden zwar noch hinter Ordnung, aber schon vor Sauberkeit.
Da fällt mir doch beinahe zwangsläufig ein Charakter-Clown in herrlichen Farben ein, der auf der Kaffeefahrt „Bundesrepublik“ als Gesundheitsminister Dienst tut und seinen Asylbewerbern einen Teller, ein Messer plus zwei Scheiben vom wertvollen Gratisgeschenk-Brot (Aldi) und alternativ eine Rückfahrt in die reizvolle Landschaft der Bombenkrater mit lustigem Minensuchvormittag (Lunchpaket im Fahrpreis enthalten) anbietet. Dem möchte ich mit meiner gratis geschenkten Taschenlampe (für jede Jahreszeit richtig) heimleuchten. Oder sollte ich „und alternativ“ das Dampfbügeleisen einem sinnvollen Einsatz zuführen? Warum nicht auch gleich die Rente in Gratisgeschenke verwandeln, deren Auslieferung „garantiert versprochen“ wird, aber nur gegen zumutbare Arbeit, wie zum Beispiel den Bus des Clowns, dieses „herrlichen Sammlerstücks“, bergauf ein wenig anzuschieben?
Wer lieber in „unserem schönen Ort“ bleibt, bekommt beim Kaffeetrinken sowieso einen „40tlg. Werkzeugkasten“ und einen Wink mit dem Zaunpfahl, den er hinterher wieder ordnungsgemäß einschlagen muß. Wie heißt es doch im Kleingedruckten? „Nach Überfüllung kein Anspruch auf Leistung.“
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