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„Nice guy“ Kofi Annan besucht Bonn

Noch herrschen Flitterwochen zwischen den USA und dem neuen UNO-Generalsekretär  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Einen nice guy nennt Washingtons neuer UNO-Botschafter Bill Richardson den seit Januar amtierenden UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Mit Annan lasse sich arbeiten, verkündet der Nachfolger von Madeleine Albright, die Annans Vorgänger Butros Butros Ghali aus dem Amt vertrieben hatte.

Auch Journalisten und andere Gesprächspartner sind angetan vom Auftreten des Ghanaers, der seine Gegenüber ernst nimmt. Keine Spur von der Arroganz seines Amtsvorgängers, der oftmals aus seinem Desinteresse an bestimmten Themen keinen Hehl machte. Nach nur hundert Tagen im Amt zeigt sich der neue Generalsekretär bei den meisten Dossiers bis ins Detail informiert. Und wenn er mit einem Thema nicht vertraut genug ist, um darüber Auskunft zu geben, sagt er es.

Heute kommt der nice guy für drei Tage nach Berlin und Bonn – zu seinem „Antrittsbesuch“, wie es seitens der Bundesregierung hieß. Eigentlich wollte Annan in den ersten sechs Amtsmonaten in New York bleiben und sich dort der Reform der Vereinten Nationen widmen. Doch auch UNO-Generalsekretären wird die Einhaltung guter Vorsätze schwergemacht.

Die Bundesregierung drängte zur Antrittsvisite

Zum Deutschlandbesuch wurde Annan „von der Bundesregierung gedrängt“, erklärte einer seiner engsten Mitarbeiter gegenüber der taz. Dringender Gesprächsbedarf mit Mitgliedern der Bundesregierung besteht für den UNO-Generalsekretär derzeit nicht.

Die Erwartungen an ein verstärktes deutsches Engagement im Peacekeeping-Bereich wurden schon von Annans Vorgänger Butros Ghali mehrfach formuliert. Zwar kann Bonn inzwischen auf die Beseitigung aller verfassungsrechtlichen Hürden für den Auslandseinsatz deutscher Soldaten verweisen sowie auf die Beteiligung der Bundeswehr an den vom UNO-Sicherheitsrat beauftragten multinationalen Truppen IFOR und SFOR in Kroatien und Bosnien. Doch die Hoffnung der New Yorker UNO-Zentrale, Deutschland werde in einem bilateralen Abkommen mit der UNO grundsätzlich die Bereitstellung militärischer Kontingente und Ausrüstung für künftige Missionen in anderen Teilen der Welt zusagen, hat sich bislang nicht erfüllt.

Annan will ähnliche demütigende Erfahrungen vermeiden, wie sie sein Vorgänger bei dessen letztem Bonn-Besuch machen mußte. Butros Ghalis inständige Bitte an Verteidigungsminister Volker Rühe zur Bereitstellung von sechs Transporthubschraubern für humanitäre Zwecke in Ruanda hatte die Hardthöhe damals mit dem Verweis auf die unsicheren Wartungsbedingungen vor Ort abgelehnt.

Umgekehrt kann sich die Bundesregierung von direkten Gesprächen mit dem UNO-Generalsekretär keine konkreten Fortschritte erhoffen bei der zumindest für Außenminister Klaus Kinkel vorrangigen Frage eines ständigen deutschen Sitzes im Sicherheitsrat. Die Positionen aller Beteiligten sind hinlänglich bekannt. Den jüngst vom Vorsitzenden der New Yorker Generalversammlung, Ismail Razali, unterbreiteten Vorschlag, wonach Deutschland ebenso wie Japan und drei Staaten des Südens einen ständigen Sitz ohne Veto erhalten soll, hat Bonn zwar als Fortschritt begrüßt. Zugleich lehnt die Bundesregierung eine „ständige Mitgliedschaft zweiter Klasse“ jedoch erneut ab. Das Vetorecht sei historisch überholt und gehöre abgeschafft. Doch wenn die bisherigen fünf ständigen Ratsmitglieder zur Aufgabe dieses Privilegs nicht bereit seien, müsse auch Deutschland das Vetorecht ohne Einschränkung erhalten. Zumindest als Privatmann dürfte Annan diese Schlußfolgerung zwar nicht teilen, dafür aber die jetzt von Bonn und seit Jahren von den meisten Staaten des Südens erhobenen grundsätzlichen Bedenken gegen das Vetorecht. Als UNO-Generalsekretär vermeidet er allerdings jegliche Festlegung. „Das ist Sache der Mitgliedsstaaten“, lautet seine Standardantwort auf entsprechende Fragen.

Ähnlich bedeckt wie zum Thema „Demokratisierung“ der UNO verhält sich der Generalsekretär bislang auch in allen anderen Fragen einer politischen Reform. Dazu gehören die Stärkung der UNO bei Friedenssicherung und -schaffung sowie ihrer Handlungskompetenz in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Ökologie. Beides wird von den USA, Deutschland und anderen Staaten des Westens abgelehnt.

Brisant ist auch die Frage einer Neuordnung der UNO-Finanzierung. Hierbei geht es in erster Linie um die Neudefinition überzeugender und transparenter Kriterien für die Festsetzung der prozentualen Pflichtanteile aller Mitgliedsstaaten am regulären UNO-Haushalt und am Peacekeeping-Budget. Geschieht dies nicht sehr bald, werden die USA durch die – zum Teil bereits praktizierte – unilaterale Reduzierung ihre Pflichtanteile um rund 20 Prozent die anderen 185 Mitgliedsstaaten einfach vor vollendete Tatsachen stellen.

Enger Spielraum im Konflikt mit Washington

Auch bei seinen Äußerungen zu den Altschulden der USA in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar ist der UNO-Generalsekretär peinlich darauf bedacht, niemanden in Washington zu vergrätzen. Nicht nur der einflußreiche Erzfeind der UNO im US-Kongreß, Senator Jesse Helms, hat Annan für eine ratenweise Begleichung der Schulden Bedingungen gesetzt, deren Erfüllung auf eine Zerstörung des UNO-Systems hinausliefen. Auch die Clinton-Administration verlangt weitreichende Vorleistungen in Form von Ausgabenkürzungen, Personalreduzierungen sowie der Zusammenlegung oder gar völligen Abschaffung von Programmen und Abteilungen. Mit seinen Mitte März vorgelegten ersten Einsparungs- und Reorganisationsvorschlägen zielte der Generalsekretär auf die Verbesserung der Stimmung in Washington ab. „Noch halten die Flitterwochen an, aber sie können jederzeit zu Ende sein“, bewertet ein enger Vertrauer Annans das derzeitige Verhältnis zu den USA.

Nice guy Annan läßt sich durch die bislang freundlichen Worte aus Washington nicht täuschen. Er weiß genau, daß seine realen Handlungsspielräume nicht größer sind als die seines Vorgängers. Butros Ghali wurde von den USA aus dem Amt gejagt, obwohl er die meisten Forderungen Washingtons erfüllt hatte. Hinter den Kulissen bemüht sich der Sonderbeauftragte des Generalsekretärs für die UNO-Reform, der Kanadier Maurice Strong, in intensiven Konsultationen mit den Mitgliedsstaaten um einen Konsens über ein weitreichendes Paket von Umstrukturierungs- und Einsparungsmaßnahmen. Dieses Paket soll bis Juli vorliegen und dann von der neuen Generalversammlung im September formell beschlossen werden. Annan hofft, daß dann auch die USA endlich ihre Erpressungspolitik aufgeben und zumindest einen überwiegenden Teil ihrer Altschulden bezahlen.

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