piwik no script img

United Colors of Abstrakt-Kunst

■ Zurück in die 60er Jahre: Die Städtische Galerie bekennt sich zur Farbe / Eine Ouvertüre als Revival

Widerborstig ist sie, die neue Ausstellung in der Städtischen Galerie. Widerborstig, weil glatt. Zumindest auf den ersten Blick. Gewischte Farbflächen a la Graubner, bunte Farbstreifenkombinationen a la Barnett Newman und weiße, streng geometrische Schattenreliefs: Das alles erinnert an die Abstraktionen der sechziger Jahre. Damals hatte Bremen mit Winfred Gaul einen auch international renommierten Vertreter dieser abstrakt-geometrischen Kunst vorzuweisen. Doch dann wurde es hierzulande lange Zeit still um die konkrete Kunst. „Fast zwanzig Jahre hatten wir keine derartige Ausstellung mehr in Bremen“, erklärt Galerieleiter Hans-Joachim Manske und kündigt an, daß es sich bei dieser Schau um eine Ouvertüre handelt.

In Zukunft wird man also wieder öfter mit dieser „essentiellen“Malerei zu rechnen haben. Schließlich kehrt nicht nur in der Mode alles wieder, sondern auch in der Kunst. Und schließlich gehört die Beschäftigung mit der reinen Farbe zum Grundlegendsten, was ein Maler tun kann, so Michael Kohr, einer der fünf an der Ausstellung „Farbe Raum Bewegung“beteiligten Künstler. Seine „an der Farbform, am Ausdehnungscharakter, an der Richtung und Geschwindigkeit der Farben“interessierten Werke lassen freilich allzu sehr das esoterisch angehauchte Kunstverständnis der Anthroposophen durchscheinen. Aber er ist ja auch nicht ohne Grund Professor an der Freien Fachhochschule Ottersberg.

Interessanter sind da schon die grellen Farbphrasierungen von Nicholas Bodde oder die fast monochromen Flächen von Harald Zilly. Aber auch sie können sich nicht wirklich messen mit der Radikalität eines Blinky Palermo oder Imi Knoebel, wie die Künstler selbst bescheiden zugeben.

Den Begriff der „radikalen Malerei“freilich verteidigen sie vehement als die ihnen eigene Domäne. Von Manskes Einordnung in die geometrisch-abstrakte Tradition fühlen sie sich dagegen eher mißverstanden. Aber ob „essentiell“, „radikal“, „konkret“oder „abstrakt-geometrisch“, nach Zilly geht es vor allem um eines: das pure Sehen. Und damit nicht um inhaltliche Konzepte, sondern um die reine Ästhetik. Oder, um es mit dem Katalogtext zu sagen: um eine „unmittelbare, nicht-diskursive, nur anschaulich zu gewinnende Kommunikation zwischen Bild und Betrachter“(Bernd Growe).

Es gibt hier demnach nichts zu deuten. Zumindest ist es nach dieser Auffassung so gut wie unmöglich, sich darüber auszutauschen. Auch wenn man wie Martin Roman Deppner im Katalog von dieser „Unmöglichkeit eines Diskurses über das Imaginäre“philosphiert und sich dabei wortreich auf die Wahrnehmungspsychologie Merleau-Pontys bis hin zur strukturalistischen Psychoanalyse Lacans stützt, bleiben Interpretationen mühsam. Statt um Deutung geht es hier lediglich um Schaulust. Oder vielmehr um Schau-Unlust. Denn in diese kippt allzuviel Buntheit schnell um.

Moritz Wecker

P.S.: Und doch wird die Ausstellung plötzlich interessant, wenn man sie gerade verlassen hat. Denn angesichts der grellbunten Autos, Werbeflächen und Schaufenster wird spürbar, wie sehr die Moderne unser Farbempfinden versaut hat. Darauf hinzuweisen ist das eigentliche Verdienst der Schau.

Aber auch das hat schon Winfred Gaul in den Sechzigern getan.

„Farbe Raum Bewegung“in der Städtischen Galerie, Buntentorsteinweg 112, bis 18. Mai

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen