■ Querspalte: Jesus ist nicht Cantona
Der Rundfunkreporter Herbert Zimmermann pries einst Toni Turek als „Fußball-Gott“, John Lennon meinte, die Beatles seien größer als Jesus, und eine Handvoll Bands nannten oder nennen sich „God“. Daß Fußball und Pop voller religiöser Anspielungen und Metaphern sind, muß jetzt auch dem britischen Künstler Michael Browne aufgefallen sein. Er adaptierte „Die Auferstehung Christi“, ein Ölgemälde des Renaissance-Malers Piero della Francesca, und besetzte die Figuren dabei mit Spielern des Fußballclubs Manchester United. Die Rolle des aus dem Sarg steigenden Jesus nimmt Eric Cantona ein, nach George Best der einzige Popstar der Fußball-Geschichte.
Hat der Kicker das verdient? Immerhin ist Cantona einer der wenigen Spieler, die Intelligenz nicht nur auf dem Platz, sondern auch im übrigen Leben verkörpern. Nicht einmal die ausgiebige Lektüre von Rimbaud-Gedichten hat seine Birne weich werden lassen. Darüber hinaus steht der 31jährige für die beste Aktion, die der Fußball in den 90er Jahren gesehen hat. 1995, als er bei einem Spiel in London vom Platz gestellt wurde, wies er mit einem Kung-Fu-Tritt einen pöbelnden Mutanten zurecht, der sich hinterher idealerweise als Nazi erwies. So ist es Cantona sogar gelungen, seinem Club, dem reichsten der Welt – Uniteds Merchandising funktioniert wohl besser als das aller organisierten Jesus-Fans –, ein sympathisches Image zu verschaffen.
Wie kann Browne angesichts all dessen auf die Idee kommen, Cantona mit Jesus zu vergleichen? Der Nazarether sähe heute doch keine Schnitte gegen den Franzosen. Als Fußballer würde es Jesus nicht weit bringen, vielleicht zu einem Dieter Eilts für Arme beim, sagen wir mal, FC Gütersloh. Jesus als Popstar? Auch kaum vorstellbar, bestenfalls rekrutierte ihn eine thüringische Indierockband als Bassisten. Und auch in der Disziplin praktizierender Antifaschismus hätte er nichts auszurichten. Brownes Bild ist also ein Affront. Eric Cantona aber, das ist sicher, wird diese Blasphemie nichts anhaben können. René Martens
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