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Netanjahu gerät weiter unter Druck

■ Nach der Entlastung durch den Generalstaatsanwalt: Israels Opposition fordert Rücktritt des Regierungschefs

Jerusalem (AFP/taz) – Trotz seiner formellen Entlastung in der Bar-on-Affäre gerät Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu weiter unter Druck. Die Opposition reagierte gestern mit einer Rücktrittsforderung und der Anrufung des Obersten Gerichts auf die Entscheidung des Generalstaatsanwalts, Netanjahu nicht wegen Amtsmißbrauchs anzuklagen. Netanjahu müsse die Schlüsse ziehen, die sich aufdrängten, und sein Amt zur Verfügung stellen, sagte der Chef der Arbeitspartei, Schimon Peres. Zwei Parlamentarier und eine Bürgervereinigung forderten zudem eine höchstrichterliche Untersuchung der Justizentscheidung.

Peres sagte gestern in einem Radiointerview, Netanjahu müsse seinen Rücktritt einreichen. Die Arbeitspartei forderte außerdem, daß sich ein Untersuchungsausschuß mit dem Fall befaßt. Aus Justizkreisen verlautete, beim Obersten Gericht seien drei Eingaben eingegangen: von zwei Abgeordneten der Arbeitspartei und dem Linksbündnis Meretz sowie einer Bürgervereinigung zur Korruptionsbekämpfung. Das Gericht werde sich nach dem Passahfest damit befassen, das am 29. April endet.

Die israelischen Zeitungen kommentierten die Entscheidung, Netanjahu nicht anzuklagen, kritisch. Jedioth Aharonot schrieb, wenn Netanjahu auch kein Krimineller sei, so laufe er doch Gefahr, wie ein Scharlatan zu erscheinen. Finanzminister Dan Meridor vom Likud sagte im Rundfunk, zwar sei keinerlei Anklage erhoben worden, doch sei der Ministerpräsident nicht weißgewaschen worden. Meridor wurde von Netanjahu gestern an die Spitze eines neugeschaffenen Ausschusses zur Überwachung der Ernennung von Amtsträgern durch die Regierung berufen, der verhindern soll, daß sich Skandale wie die mittlerweile „Bibigate“ getaufte Bar-on-Affäre wiederholen.

Netanjahu wird vorgeworfen, er habe sich die Zustimmung der ultraorthodoxen Schas-Partei zum Hebron-Abkommen mit den Palästinensern dadurch erkauft, daß er der Ernennung des Juristen Roni Bar-on zum Rechtsberater seiner Regierung zustimmte. Der Schas- Vorsitzende Arie Deri soll sich von Bar-on die Einstellung eines laufenden Korruptionsverfahrens gegen sich erhofft haben. Generalstaatsanwalt Eliakim Rubinstein hatte am Sonntag mitgeteilt, Netanjahu werde aus Mangel an Beweisen nicht angeklagt, obwohl ein Verdacht gegen ihn bestehe. Netanjahu erklärte gestern, er habe nichts „Illegales“ getan. Ihm sei lediglich ein „Beurteilungsfehler“ unterlaufen.

Schas griff noch in der Nacht zum Montag die israelische Justiz und die Medien massiv an. Wütende Parteianhänger bewarfen in Jerusalem Übertragungswagen der Fernsehanstalten mit Steinen. Demonstranten riefen „Tod den Medien“. In einer Erklärung des „geistigen Mentors“ der streng religiösen Partei, des Rabbiners Ovadja Josef, hieß es: „Wir haben alles Vertrauen in die Herrschaft des Gesetzes verloren.“

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