: Seehofer will mehr Gift im Fisch
■ Fische sind so mit Pestiziden belastet, daß sie nicht mehr marktfähig sind. Regierung will die Grenzwerte raufsetzen
Berlin (taz) – Damit Fische marktfähig bleiben, will Gesundheitsminister Horst Seehofer höhere Mengen der Pestizide Chlordan und Toxaphen in den Tieren zulassen. Bis zum Vierfachen des jetzt erlaubten Wertes sollen die Konzentrationen für diesie chlororganischen Stoffe in der dritten Änderung der Höchstmengenverordnung angehoben werden. Beide Chemikalien gelten als krebserregend. Man müsse „Gesundheitsschutz und eine angemessene Versorgung der Verbraucher mit Fisch unter einen Hut bringen“, sagt Seehofers Sprecherin Anneliese Ilona Klug. „Von der für den Menschen gefährlichen Dosis der Pestizide, dem sogenannten ADI-Wert, ist man auch mit den neuen Obergrenzen noch meilenweit entfernt“, sagt Klug.
Die meisten europäischen Landwirte dürfen Chlordan und Toxaphen schon heute nicht mehr auf ihre Äcker sprühen. Die Pestizide halten sich jedoch beharrlich in den Weltmeeren und reichern sich über die Nahrungskette in Fischen an. Nach den alten Grenzwerten dürfen zukünftig 70 Prozent der Fänge an Hering, Rotbarsch, schwarzem Heilbutt und Zuchtlachs nicht mehr in die deutschen Kochtöpfe.
Peter Knitsch, der sich für das nordrhein-westfälische Umweltministerium mit dem Gift im Fisch befaßt, verficht einen Antrag seiner Landesregierung und der Sachsen-Anhalts. Er weist das Ansinnen, die Fakten zur Norm zu machen, zurück und warnt vor der unkalkulierbaren und schleichenden Giftwirkung der Fische.
Chlordan und Toxapehn reichern sich – wie viele chlororganische Verbindungen – in menschlichem Gewebe und in der Muttermilch an. „Um das Krebsrisiko möglichst gering zu halten, kann man gar nicht genug Gesundheitsschutz betreiben“, sagt Knitsch. Über die chronischen Gesundheitsschäden gibt der ADI-Wert zudem keine wissenschaftlich verwertbaren Aussagen. Deshalb hält auch Hermann Kruse, Toxikologe an der Uni Kiel und wissenschaftlicher Berat des Vereins Eltern für unbelastete Nahrung, Grenzwerte für krebserregende Substanzen für absurd. Gemesssen am nicht bezifferbaren Gefahrenpotential, dürfte nur eine Höchstmenge gelten. Am Freitag debattiert der Bundesrat über die geplanten Änderungen der Regierung. Die sollen auch höhere Mengen des Pestizids Lindan in sogenannten teeähnlichen Getränken erlauben. Der Umweltausschuß des Ländergremiums hat die Verordnung auf Antrag Nordrhein-Westfalens und Sachsen-Anhalts zwar bereits durchfallen lassen. Aber Knitsch befürchtet, daß die SPD- geführten Küstenländer ausscheren, um ihrer Fischerei nicht den Garaus zu machen. Peter Hergersberg
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