: Angestelltenkammer kriselt weiter
■ Gewerkschafter wollen Betriebsräten Kündigung schicken
Bei der Angestelltenkammer kriselt es heftig weiter. Mit Verwunderung erfuhr der Betriebsrat der Wirtschafts- und Sozialakademie (Wisoak) der Angestelltenkammer jüngst, daß die Leitung der Arbeitnehmer-Institution 18 Änderungskündigungen plant. Ohne den Betriebsrat auch nur anzuhören, war darüber in der Gesellschafterversammlung Anfang April beraten worden. In den vergangenen Jahren hatte die Wisoak ca. 100 Stellen abgebaut, die jährlichen Zuschüsse durch die Kammer stiegen auf über drei Millionen Mark.
Dennoch kommt die Bildungseinrichtung mit ihrem Geld nicht aus. 225.000 Defizit befürchtet die Leitung der Wisoak. Die Sanierungsidee: Die Wisoak baut ihr Engagement im Jugendbereich ab. Dies aber, argumentiert der Betriebsrat, würde das Defizit nur weiter vergrößern, weil die Wisoak Räume dafür bis weit über das Jahr 2.000 angemietet hat. Zudem bezweifelt der Betriebsrat, daß die Änderungskündigungen vor dem Arbeitsgericht Bestand hätten. Zum Beispiel wären sieben Betriebsräte und eine Nachrückerin von den Kündigungen betroffen... „Wir nehmen zur Kenntnis“, formuliert der Betriebsrat bitter, daß Gewerkschafter sich in „einer von ihnen dominierte Institution ... zum Vorreiter des Abbaus von Betriebsratsrechten machen.“Auch gewerkschaftspolitisch macht die Kürzung bei der Jugendbildung keinen guten Eindruck. In der letzten Zeit hatte die Kammer eher die Ausgaben für Kultur und politische Bildung zusammengestrichen.
In diesen Wochen wird die Angestelltenkammer mit einem anderen Kapitel ihrer Krise vor dem Gericht voraussichtlich scheitern. Um das „Berufs-Bildungs-Institut“(BBI) liquidieren zu können, hatte die Kammer vor drei Jahren den BBI-Geschäftsführer und Kammer-Abteilungsleiter Gerald Graubner gefeuert. Schon vor dem Arbeitsgericht war die Kammer damit gescheitert, da Graubner nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit unkündbar ist. Wenn das Landgericht – wie von Prozeßbeobachtern erwartet – den Spruch der ersten Instanz bestätigt, darf die Kammer ca. 300.000 Mark Abteilungsleiter-Lohn nachzahlen.
Um Graubner nach ihrem Scheitern vor dem Arbeitsgericht unter Druck zu setzen, hatte die Kammer vor dem Landgericht von ihm Schadensersatz in Höhe von 10 Millionen Mark verlangt. Graubner sollte so motiviert werden, auf seinen Arbeitsvertrag zu verzichten. Aber auch vor dem Landgericht machte die Kammer keine gute Figur. Die Schadenssumme schnurrtte von zehn auf eine Million zusammen, von den weitreichenden Vorwürfen blieb übrig, daß Graubner als BBI-Geschäftsführer Mietverträge verlängert hat, ohne die Gesellschafter zu informieren. K.W.
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