Durchs Dröhnland
: Joan Baez tanzt

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

1951 sah ein ungarischer Student Muddy Waters in Boston den Blues spielen, strich dann irgendwann das Horvath, wurde zu Ronnie Earl und spielte später zusammen mit Stevie Ray Vaughan oder Eric Clapton. Als Solo-Gitarrist lotet Earl die Grenzbereiche zwischen Jazz und Blues aus. Schlagzeug und Bass läßt er einen vorsichtig swingenden Untergrund legen, über dem er mal mit der Gitarre den Saxophon-Stil von John Coltrane adaptiert, dann wieder sich an klassischen Blues-Schemata ergötzt.

Auf Gesang verzichtet er, statt dessen führen seine sechs Saiten ganz wundervolle Duette mit Saxophon oder Orgel auf, die den Soundtrack abgeben zur letzten Nacht am Tresen, die einfach nicht enden wollte.

25.4., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39

Einen kleinen, ganz persönlichen Crossover hat Beth Orton im Angebot. Aufgewachsen ist sie in Norwich mit Neil Young und den Stone Roses, ihre ersten musikalischen Gehversuche machte sich auf der akustischen Gitarre, gesungen hat sie für Red Snapper und die Chemical Brothers.

Ihre Debüt-Platte hat Victor Van Vught produziert, der zuvor für die Tindersticks und Nick Cave verantwortlich war, Rave-Legende Andy Weatherall hat ein paar Tracks remixt. Dort finden sich Samples friedlich neben Geige, Cello und Bouzouki, die Rhythmusmaschine ebenso wie eine Hammond-Orgel. Das Ergebnis ist Folk-TripHop, wenn man es denn so nennen möchte, aber vor allem wundervoll. Stell dir vor, Joan Baez würde tanzen wollen, wenn auch ganz, gaaanz langsam.

Meistens aber ist Orton eine begnadete Singer/Songwriterin, die ihre glockenklare Stimme immer wieder an die Grenze zum Kitsch treibt, um gerade noch rechtzeitig die Kurve zu kriegen.

28.4., 20.30, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176

The Dirty Beatniks nannten sich so, weil sie so „dreckige Beats“ machen. Die Träger schwarzer Rollkragenpullover können sich also wieder entspannt zurücklehnen und noch einen durchziehen, das Revival der Beat generation ist nur ein dummer zeitlicher Zufall. Das Trio aus London kommt vom House, auch wenn es weitgehend auf die üblichen hysterischen Frauenchöre verzichtet.

Der Rest blubbert und stampft recht straight ahead und führt auch ohne die einschlägigen Drogen zu Bewegungsbedürfnis. Was auch für Les Rythmes Digitales, Wiseguys und Derek Dahlarge, den Rest dieses Pakets gilt, denn das Label Wall of Sound erfindet den Tanzboden nicht neu, aber fügt dem bewährten ein paar seriöse neue Produkte hinzu.

30.4., 21 Uhr, Kulturbrauerei, Knaackstraße 97

Nachdem Depeche Mode gerade wiederentdeckt werden, stehen die Zeichen für De/Vision auch wieder besser. Seit bald zehn Jahren tüfteln die Darmstädter an einem Konzept, das eigentlich schon zu ihrer Gründung überholt war. Die sterilen Sounds der damaligen Synthesizer-Generation wurden mit hochnotromantischen Gesängen kontrastiert, was Yazoo oder Human League einen Haufen Geld brachte. Mit den niedlichen Pieps- und Blubber- Sounds aus den 80ern kommt man heute zwar nicht mehr in die Charts, aber dafür sind die echten Fans ganz besonders treu.

30.4., 20 Uhr, Huxleys Neue Welt, Hasenheide 108–114

Auch wenn Die Haut die beste Rockinstrumentalcombo der Welt ist, eigentlich hat die Leute immer vor allem interessiert, wer denn nun den Überraschungsvokalisten gibt. Alex Hacke ist diesmal wohl sicher dabei, um die Zusage seines Neubauten-Kollegen Blixa Bargeld ranken sich noch Gerüchte. Dabei lenkt der Gesang doch vom Eigentlichen ab: Wie Die Haut einen Song zelebriert, Strukturen aufleuchten läßt und die Gitarrenweite noch einmal dehnt, merkt man gar nicht, daß da etwas fehlen könnte.

1.5., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz Thomas Winkler