: „Noch einmal so richtig angreifen“
■ Fachhandel, aufgepaßt: Wo Horten war, dräut ab sofort Galeria Kaufhof – mit Event-Einkauf
Das Wichtigste vorweg: Der Christbaum ist noch da. Die künstlerisch anmutende Glühlampeninstallation zwischen den Rolltreppen, die genauso aussieht, wie sie alt ist (70er), hat das Ableben von Horten überlebt. Und auch das neue Logo Galeria Kaufhof sieht genauso aus wie das alte. Ansonsten wird der Bremer City-Shopper, wenn der neue Kaufhof am heutigen Montag eröffnet wird, was erleben: Er findet nichts mehr wieder. Und genau das soll er: erleben! Als Innenstadt-Warenhaus mit Fachgeschäftscharakter auf Eventbasis präsentiert sich, was einmal unser gutes altes Horten war.
Noch ein alter Bekannter: Horst Brinkmann, seit jungen Jahren bei Horten, dient auch den neuen Herren als Geschäftsführer. 12,1 Millionen Mark hat er in den Umbau gesteckt, „die müssen in zwei Jahren verdient sein, sonst ist der Kopf weg.“Gott behüte! Herr Brinkmann will „noch einmal richtig angreifen“:Karstadt sowieso, den Fachhandel im allgemeinen, nur die Verbrauchermärkte auf der grünen Wiese, die läßt er weiterwurschteln.
Zum Angriff bläst Brinkmann unter anderem mit der neuen Abteilung „Welt der Medien“im vierten Stock. Man sollte zwar meinen, der Markt in Bremen sei diesbezüglich dicht. Doch es gibt eine klaffende Lücke, und die heißt: Service. Der Kunde, verwirrt ob der Vielzahl der Soundkarten oder Modems, soll in der Galeria immer einen Ansprechpartner finden, dazu einen vom Fach. Brinkmann: „Da kommt Kompetenz rüber! Wir haben extra Personal anbauen müssen.“Der Bremer Kaufhof hat jetzt 350 Mitarbeiter.
Wichtigste Speerspitze des Angriffs: der „textile Antritt“. Kaufhof bietet in zahlreichen sog. „Shops“alle gängigen und namhaften Marken, sogar – wow! – Diesel und – ja auch dies – Betty Barcley. Gewiß lang erwartet: das breite Markensortiment an Kinderklamotten, nach Alter geordnet! Wer übrigens kurz die Augen von den Waren lassen kann und Fußboden oder Mobiliar betrachtet, entdeckt, daß der einstmals als schick geltende graue Grundton der Horten-Zeit einer heute als schick geltenden holzgleichen Buchenfarbe gewichen ist. Der allerste Eindruck ist allerdings, je nach Eintritt, die „Goldgrube“(Schmuck) bzw. das Reich der Damenunterwäsche.
Kaum zu glauben und doch wahr: der Kaufhof ist größer als Horten. Gnadenlos wurde Lagerraum reduziert, weil die LKWs überwiegend just in time anliefern. Überall entstand Platz für Ruhezonen und „Event-Flächen“. Ein Eventbeispiel: Lebensgroße Steiff-Löwen wackeln mit dem Kopf. Ein anderes Event: Carlo von Tiedemann wackelt life auf der Aktionsfläche im vierten Stock rum (Freitag, 12 Uhr). Dauerevent: Im Schaufenster Richtung C&A richtet Antenne (ein Radiosender, der dazu neigt, eine Sondersendung über ein ermordetes Mädchen so anzukündigen: „Morgen im Muntermacher-Spezial: der Kindermord in Varrel“) ein Studio ein.
Das „Galeria“-Konzept im innerstädtischen Warenhaus, vor sieben Jahren in Bremen (nach Münster und Heidelberg) zum dritten Mal ausprobiert, rechnet sich offenbar (der Umbau zur Galeria hatte 1989 rund 37 Millionen Mark gekostet). Kaufhof will fast alle seine Häuser in der nächsten Zeit dementsprechend umrüsten. In Zeiten, da man online bei Neckermann einkaufen kann, zielt der Galeria-Gedanke auf all jene Bürfnisse, die den schnöden Warenerwerb umlagern: Schon Zweijährige bekommen hier Markenwünsche erfüllt, ein Kinderkino hält sie bei Laune, Bepacktsein ist uncool, deshalb gibt es Schließfächer (ab Sommer sogar Kühl-Schließfächer), man hat einen Friseur, eine Reinigung, das Restaurant Dinea, sogenannte anschmiegsame Bein-Trends“bei den Socken, eine Internetstation, die beliebte Gardinenberatung, Autogrammstunden, Stimmung mit den Lübberstedter Musikanten (Freitag ab 15 Uhr) usw. usf... BuS
Heute um 11 Uhr: Enthüllung des Firmenschildes
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