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Jugendliche fallen in die Arbeitslosigkeit

■ Interne Prognose der Senatsverwaltung für Jugend, Schule und Sport geht davon aus, daß im Jahr 2000 rund 13.000 Jugendliche in der Stadt ohne Arbeit sind. Heute sind schon zirka 5.000 ohne einen Job

Das Schriftstück trägt nicht umsonst den Titel „Horrorszenario“: In einer internen Prognose geht die Senatsjugendverwaltung davon aus, daß in der Stadt die Jugendarbeitslosigkeit der unter 20jährigen bis zum Jahr 2000 auf bis zu 40 Prozent steigen wird. „Diese Quote würde den derzeitigen europäischen Rekordhalter Spanien mit über 30 Prozent klar ablösen“, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt. Zur Zeit seien über 5.000 Personen unter 20 Jahren offiziell arbeitslos, was einer Arbeitslosenquote von rund 15 Prozent entspricht. Das brisante Papier mit Datum vom 1. April wurde vom Leiter des Referats Jugendhilfe der Senatsjugendverwaltung an sämtliche Jugenamtsleiter der 23 Bezike verteilt. Begründet wird die Prognose damit, daß in den nächsten drei Jahren die geburtenstarken Jahrgänge die Schule verlassen und einen Ausbildungsplatz suchen werden. Zugleich sei davon auszugehen, daß die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze weiter abgebaut werde. Außerdem falle die Finanzierung durch das Arbeitsförderungsgesetz weg. Die heutige Zahl von rund 5.000 Arbeitslosen „dürfte sich ohne weitere Interventionen“ somit auf rund 13.000 Personen erhöhen. Nicht berücksichtigt seien „die vom Arbeitsamt nicht Erfaßten und die sicher zu erwartende Reduzierung der Ausbildungsplätze“.

Die Pressesprecherin der Senatsjugendverwaltung, Allmuth Draeger, tat die Prognose als „Gedanken eines einzelnen Mitarbeiters“ ab, der von der Leitung des Hauses nicht sanktioniert worden sei. Es handle sich um keine seriösen Zahlen, auch die Quellen seien „alle sehr fragwürdig“.

Wie die taz vom Leiter des Weddinger Jugendamtes, Sven Nachman, erfuhr, werden die Fördermittel für die sozialintegrativen Projekte abgebaut. Das Papier wurde auf der Amtsleitersitzung der Bezirke von dem Mitarbeiter der Senatsjugendverwaltung mit dem Ziel eingebracht, nach einer strukturellen Lösung zur Behebung dieses Problems zu suchen. Die von der taz mit der internen Prognose konfrontierte Schöneberger Jugendstadträtin Ulrike Herpich (Bündnis 90/Grüne) kommentierte diese mit den Worten: „Das deckt sich mit unserer Erfahrung.“ Insbesondere in Schöneberg und Kreuzberg sei aufgrund des hohen Anteils von Immigrantenkindern in sozial schwachen Familien eine große Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit zu erwarten. Die Kreuzberger Volksbildungsstadträtin Hannelore Mai befürchtet, daß die Prognose für Kreuzberg einen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit von 60 Prozent bedeutet. Plutonia Plarre

siehe auch Bericht Seite 23

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