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Die Telmanovci trugen Schwarz-Rot-Gold

■ Nach der Wehrmachtsausstellung ist ein Buch über den deutschen militärischen Widerstand gegen die Kriegsverbrechen auf dem Balkan erschienen

Die Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg in Jugoslawien sind der breiten Öffentlichkeit seit der Wehrmachtsausstellung, die u.a. das „Gebiet des Militärbefehlshabers Serbien“ fokussierte, deutlich geworden.

In Fortschreibung und Ergänzung der Ausstellung ist nun ein Buch erschienen, das den Widerstand gegen Hitler und seine Generäle thematisiert. Denn es hat sie gegeben, jene Deutschen wie den katholischen Gefreiten Joseph Schulz, der sich 1941 in Smederevska Palanka weigerte, an einer Geiselerschießung teilzunehmen, und der zusammen mit den Opfern erschossen wurde. Diese bis heute unbekannte deutsche Widerstandsgeschichte in Jugoslawien erzählen Heinz Kühnrich und Franz-Karl Hitze in ihrem Buch „Deutsche bei Titos Partisanen 1941–1945“.

Mit Akribie und Besessenheit haben die Autoren Einzelschicksale zusammengetragen, wie das des Unteroffiziers Hemmerling, der die Sprengung der Adriastadt Cres verhinderte, oder das des Leutnants Schichter, der zu den Partisanen überlief, mit ihnen kämpfte und fiel. Dabei ist ein an historischen Dokumenten und mündlichen Zeugnissen beredsames Stück Geschichte entstanden. Aus den vielen Einzelschicksalen ragt eine militärische Formation hervor, die schon in den sechziger Jahren bekannt wurde: die Telmanovci. Die „Ernst-Thälmann-Einheit“n, formiert im August 1943 in der kommunistisch geführten gesamtjugoslawischen Widerstandsbewegung, war vor allem in Slawonien (Westkroatien) im Einsatz und umfaßte bald 200 „Reichs-“ und „Volksdeutsche“. Die Telmanovci, wie sie ihre jugoslawischen Mitkämpfer nannten, dienten in erster Linie als Agitations- und Propagandaeinheit, die sich selten an aktiven Kampfhandlungen beteiligte. Sie sollten vor allem deutsche Soldaten zum Überlaufen bewegen und unter der deutschen Minderheit wirken. Beides gelang nur in sehr begrenztem Umfang. Ihre Befehlssprache war Deutsch, und sie trugen als Symbole unter dem roten Stern die Farben der Weimarer Republik, also Schwarz- Rot-Gold. Diese Einheit geriet im November 1943 in der Stadt Mikleus in einen Hinterhalt der Wehrmacht, wobei der Großteil der Kämpfer fiel. In Mikleus wurde nach dem Krieg ein Denkmal ausschließlich für diese gefallenen deutschen Partisanen errichtet, von dem nicht bekannt ist, ob es heute noch existiert. Die Einheit bestand weiter, wurde aber vor allem mit jugoslawischen Kämpfern aufgefüllt und verlor ihren ausschließlich deutschen Charakter.

Kühnrich und Hitze stellten bei ihren Forschungen fest, daß die deutschen Partisanen zu einem Großteil ehemals organisierte Kommunisten und Sozialdemokraten waren und zu fast 80 Prozent aus der bekannten Strafdivision 999 übergelaufen waren. Diese Widerstandskämpfer hatten zumeist, bevor sie in Griechenland oder Jugoslawien eingesetzt wurden, mehrere Jahre in Zuchthaus oder KZ verbracht. Ihre Gesamtzahl belief sich auf wenige hundert. Kühnrich, DDR-Historiker der Leipziger Schule, und Franz-Karl Hitze, in den 60er und 70er Jahren für die DDR als Diplomat in Belgrad tätig, ist ein historisch und politisch engagierter Band gelungen. In einer Zeit, in der deutsche Soldaten im Rahmen von Ifor und Sfor auf dem Balkan wieder ausländischen Boden betreten, leisten die Autoren einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung darüber, in welche geschichtlichen Zusammenhänge die Bundeswehr damit tritt. Mit der Schilderung des schmalen Rinnsals deutschen Widerstands kritisieren Kühnrich und Hitze die noch immerwährende Diskriminierung deutscher Deserteure und Antifaschisten durch die Renten- und Gesetzgebung der Bundesrepublik. Sie besteht fort, trotz der kürzlich vom Rechtsauschuß des Bundestags verabschiedeten Erklärung, daß der Zweite Weltkrieg ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen war. Heiko Hänsel

Heinz Kühnrich, Franz-Karl Hitze: „Deutsche bei Titos Partisanen 1941–1945. Kriegsschicksale auf dem Balkan in Augenzeugenberichten und Dokumenten“. GNN Verlag, Schkeuditz 1997, 24,80 DM

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