Hat Haller vor Vulkan-Ausschuß gelogen?

■ Staatsanwaltschaft soll Aussage prüfen / Hibeg verlor 100 Millionen - Haller leugnet Schuld

Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller gab sich betont jovial, als er am 4. März vor dem Vulkan-Untersuchungsausschuß in den Zeugenstand gerufen wurde. „Mit Vornamen heiße ich Frank Ernst Roland, ich lege immer auf Roland großen Wert. Der Wohnort ist hier in Bremen, so wie sich das gehört, daß man in Bremen wohnt“, versuchte er die Lacher schon bei der Feststellung seiner Personalien auf seine Seite zu ziehen. Das Lachen blieb den 21 Abgeordneten allerdings schon nach kurzer Zeit im Halse stecken. Daß der Staatsrat es mit der Wahrheit nicht so genau nahm, war offensichtlich. Jetzt wollen die Grünen Hallers Aussage von der Staatsanwaltschaft überprüfen lassen .

Seit zehn Jahren ist Haller „der zweite Mann“im Wirtschaftsressort. Der direkte Nachfolger Hennemanns („das mag eine kleine Pikanterie sein“, so Haller) hat jahrelang die wichtigsten Kapitel der Bremer Wirtschaftsgeschichte mitgeschrieben. Auch das Sanierungsprogramm trägt seine Handschrift. Daß sich der Vulkan zu sehr auf den Schiffbau konzentrierte, war nicht nur ihm ein Dorn im Auge.

Deshalb wurde im Juni 1989 die Vulkan Industrie Holding GmbH (VIH) gegründet. Mit 100 Millionen Mark Steuergeldern beteiligte sich das Land Bremen über die Hibeg (landeseigene Hanseatische Industrie-Beteiligungs-GmbH) an der VIH und bekam dafür 25,1 Prozent der Anteile. Der Vulkan hielt 74,9 Prozent. Mit Hilfe der VIH sollte die Produktpalette des Vulkans erweitert und die Schiffbaukapazitäten abgebaut werden. Die VIH kaufte deshalb Unternehmen auf, erst kleinere in Bremen, dann größere auswärts wie z.B. die Werkzeugmaschinenbau-Firma Wohlenberg aus Hannover – „ein großer Sündenfall“, räumte Haller ein. Außerdem beteiligte sich die VIH 1992 an der Dörries Scharrmann GmbH, der Guehring Automaten GmbH und 1993 an den Firmen Schiess, Droop und Rein. Die Unternehmen wurden aber keineswegs neue Standbeine für den Vulkan-Verbund, der mit den Ost-Werften immer mehr vom Schiffbau abhängig wurde, sondern machten erhebliche Verluste. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Hibeg hätte Wirtschaftsstaatsrat Haller diese verlustreichen Einkäufe verhindern können. Vor dem Untersuchungausschuß schob er die Verantwortung allerdings auf das Wirtschaftskabinett: „Ich sage Ihnen nur, daß wir im Hibeg-Aufsichtsrat Beschlüsse nicht auf eigenes Risiko fassen, sondern ... in 99 Prozent solcher strukturpolitischen Großentscheidungen abhängig sind von Wirtschaftskabinettsentscheidungen....“„...Bis wir uns ... den Zumutungen entzogen haben und die VIH abgegeben haben .“Dieser Abschied wurde für Hennemann zum lohnenden Geschäft: Der Vulkan kaufte die 25,1 Prozent, für die das Land einmal 100 Millionen bezahlt hatte, zum Spottpreis von einer Mark zurück.

Hallers Behauptung, daß das Wirtschaftskabinett für das Scheitern der Vulkan-Industriepolitik mit Hilfe der VIH verantwortlich sei, ist falsch: Aus den Unterlagen des Wirtschaftskabinetts ergibt sich kein Hinweis darauf, daß das Gremium auf Haller Einfluß genommen hätte. Auch die ehemaligen Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) und Ralf Fücks (Grüne) sowie die Ex-Senatoren Claus Jäger (FDP) und Volker Kröning (SPD) verneinten vor dem Ausschuß entschieden, daß sie der Hibeg irgendwelche Anweisungen erteilt hätten. Die Grünen haben deshalb den Verdacht, daß Haller sich mit einer Lüge aus der Verantwortung stehlen wollte. Er hätte sich damit der „uneidlichen Falschaussage“nach § 153 Strafgesetzbuch strafbar gemacht. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, droht dem Staatsrat eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Wie sagte Haller vor dem Ausschuß: „Manchmal neige ich ein bißchen dazu, über das Ziel hinauszuschießen, aber man muß das tun, um Aufmerksamkeit zu erregen.“

Kerstin Schneider