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Sondermüll soll Kohlekraftwerk anheizen

■ Saarbergwerke wollen mit Sondermüllverbrennung ihre Altanlagen absichern

Saarbrücken (taz) – Die Saarbergwerke suchen neue Aufgaben für ihre Kohlekraftwerke: Ende Januar hat der angeschlagene Konzern beantragt, erstmals im Kohlekraftwerk WeiherII Abfälle, darunter auch Sondermüll mitzuverbrennen. So sollen die Kraftwerke ausgelastet bleiben, denn dem Betrieb droht noch vor der Jahrtausendwende die Schließung einer seiner drei Kohlegruben.

Seit der klammheimlich beim Umweltminister gestellte Antrag öffentlich bekannt wurde, laufen Bündnisgrüne und UmweltschützerInnen Sturm dagegen – sie befürchten Gesundheitsschäden durch Dioxine und Furane, die in der zweckentfremdeten Anlage bei der Verbrennung etwa von Bremsflüssigkeit, öligen Lappen oder geschredderten Plastik entstehen. Alles werde in der Schmelzkammerfeuerung von WeiherII rückstandslos verbrannt. Die Quierschieder Bürgerinitiative beruft sich dabei auf ein Gutachten des Darmstädter Öko-Instituts, wonach die gemeinsame Verbrennung von Kohle und Müll aus ökologischer Sicht die ungünstigste Entsorgungsform ist. Die GegnerInnen fürchten Nachahmer unter den anderen Energieversorgern, falls die Saarbergwerke durchkommen.

Der Konzern verteidigt sein Projekt: Durch die hohen Ofentemperaturen bis 1.400 Grad sei sichergestellt, daß keine neuen Gifte entstehen. Mit der Extraportion Brennstoff hofft Saarberg, sein Altkraftwerk zu sichern, denn eigentlich ist WeiherII ein Auslaufmodell. Spätestens zur Jahresmitte 2.000 sollten die beiden Blöcke aus den sechziger Jahren stillgelegt werden. Jetzt heißt es auf einmal, die inzwischen nur noch selten verwandte Feuerungsart der Anlage sei zukunftsweisend, und es gebe Anfragen aus Osteuropa, und man brauche eine Referenzanlage für die neue Energietechnik, um ins Geschäft zu kommen.

Geschäfte ganz anderer Art wittert der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND): Mit Öko- Dumping sollen satte Gewinne eingefahren werden, schimpft BUND-Landeschef Joachim Götz. Ganze drei Millionen Mark wolle Saarberg laut Antrag investieren, während an anderer Stelle im Saarland für eine halbe Milliarde eine Müllverbrennungsanlage gebaut wird – für Hausabfälle, nicht für Sondermüll.

Streit gibt es auch um die Art der Genehmigung: Saarberg hat lediglich eine Änderungsgenehmigung beantragt. Dafür wäre keine Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich. Saarlands Umweltminister Willy Leonhardt (SPD) hat allerdings klar zu erkennen gegeben, daß er ein umfassendes Verfahren einschließlich öffentlicher Anhörung und Umweltverträglichkeitsprüfung für nötig hält. Im übrigen halte er aus ökologischer Sicht wenig von dem Projekt.

Doch die Partei fällt ihm wieder einmal in den Rücken: Ausgerechnet der als Chefökologe titulierte Landtagsabgeordnete Tabillion machte klar, daß er sich den von Saarberg beantragten dreijährigen Versuchsbetrieb durchaus vorstellen kann. Hauptargument im gebeutelten Saarland sind die 200 Arbeitsplätze, die auf dem Spiel stehen.

Für den saarländischen Umweltminister steht eine neue Kraftprobe an. Und vielfach wird gemunkelt, es könnte enden wie bei der Genehmigung des neuen Saarberg-Kohlekraftwerks im nahen Bexbach. Anfangs ließ Leonhardt ebenfalls deutlich erkennen, daß er das Projekt für unsinnig hält. Doch dann schaltete sich Ministerpräsident Oskar Lafontaine persönlich ein, und die Genehmigung kam. Volker Roth

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