Der Wahnsinn der Wissenschaft

■ Der Ostküstenrapper Jeru the Damaja denkt sich um den Verstand

Mit den alltäglichen Themen gibt er sich nicht ab. Denn er ist ein Esoteriker, wie er im Buche steht. Dem kaum 1,65 Meter großen Jeru, der den Beinamen „the Damaja“(der Zerstörer) mit sich führt, geht es um Geheimwissen aller Art, die Verbindung von Wissenschaft und Wahnsinn, um „Scientifical Madness“, wie eines seiner Stücke heißt. Bei seiner im Herbst letzten Jahres erschienenen zweiten Platte Wrath of the Math entwirft er etwa ein Universum, das von den Leitsätzen der Mathematik zusammengehalten wird. Und natürlich von den Worten Jerus, der personifizierten Mathematik.

Doch rappende Denker wie Jeru gelten spätestens, seit die Westküste – mit Ausnahme vielleicht des Wu-Tang-Clans – den HipHop-Markt der USA nahezu flächendeckend unter sich aufgeteilt hat, als possierliche Auslaufmodelle. Das war einmal anders. Als Jeru the Damaja vor nicht einmal drei Jahren mit Hilfe von Gang Starr sein Debut The Sun Rises in the East veröffentlichte, gab sich der Ostküstenrapper nicht nur kämpferisch; mit der Parole „Come clean“sollte sich der Osten selbst wieder zur alten „mental stamina“aufschwingen.

Doch zu der erhofften Flurbereinigung kam es nie. Und vielleicht beschäftigt sich Jeru auf Wrath of the Math wegen dieser Randständigkeit so ausführlich mit randständigem Wissen. Wieder führen die beängstigenden Beats von DJ Premier, der sogar einem tropfenden Wasserhahn gelegentlich Rhythmus beibringt, tief in die Tropfsteinhöhlen seines Samplers. Wieder bewegt sich Jeru im Predigerton über die betont zurückhaltenden Samples aus dem Hause Gang Starr, die häufig nur aus einem schleifenden Klavierton oder aber aus Akkorden aus „Sketches of Spain“von Miles Davis bestehenZwei Tüftler – der eine verbal, der andere klanglich – treiben so HipHop zu selten gehörter Dichte und Präzision. „Alles, was ich mit meiner Musik will“, argumentiert der Rapper wie im Philosophiekurs, „ist, Gedanken hervorzurufen. Dadurch läßt sich die Ordnung der Dinge verändern.“

Verändert hat sich darüber die Stellung von Körpern in seinen Raps: Die „mental stamina“, eine von Afu Ra begleitete ideologische Serie, wird zur „physical stamina“. Selbst den Mathematiker und „perverted monk“(pervertierten Mönch), wie sich Jeru selbst nennt, holt der Körper an manchen Stellen unvermeidbar ein. Einmal lehnt sich der linguistische Zerstörer dann nicht zurück, sondern geht mit der ganzen Härte zur Sache.

Volker Marquardt

Di, 13. Mai, 21 Uhr, Markthalle