Einmal um die Welt gerudert

■ Im Frauen-Ruder-Club Wannsee, der vor 50 Jahren gegründet wurde, rudern Frauen zwischen 18 und 87 Jahren. Als einer von vier Frauenclubs ist er ein Stück Frauenkultur

Erika Mönnich hat bereits die Welt umrudert, wofür sie erst kürzlich den Äquatorpreis verliehen bekam. Ein Preis, den es bis vor ein paar Jahren in Westdeutschland gar nicht gab, weil er erst nach der Wende von der DDR übernommen wurde. Um jemals auf die erforderlichen 42.000 Kilometer zu kommen, muß man wie Mönnich früh anfangen.

Bereits 1935 stach sie als 13jährige Schülerin erstmals in den Wannsee. Seitdem wurden ihre sportlichen Aktivitäten lediglich durch die Kriegsjahre unterbrochen. Und seit der Gründung des Frauen-Ruder-Clubs Wannsee (FRCW) am 8. Mai vor 50 Jahren geht sie mindestens fünfmal in der Woche aufs Wasser. Denn Saison ist das ganze Jahr über; zumindest solange der Wannsee nicht zufriert.

Ihre letzte Regatta bestritt die 75jährige vor 20 Jahren. Und die hat sie dann auch noch gewonnen. Überhaupt scheint Erika Mönnich das beste Beispiel dafür zu sein, daß dieser Freiluftsport der reinste Jungbrunnen ist. So verfügt die selbständige Masseurin, genau wie ihre Ruderkolleginnen, über einen frischen Teint und einen durchtrainierten Körper. Und von ihren 75 Lebensjahren mag man ihr vielleicht 60 glauben.

Die Geschichtchen, Anekdoten und Legenden, die sich um die vergangenen 50 Jahre des Vereins spinnen, beschreiben fast alle „Erlebnisse, die mit bestimmten Schwierigkeiten verbunden sind“, erzählt Mönnich. Schlechtwettergeschichten eben oder wie man seinen Vierer nach langer Fahrt und hohem Seegang doch noch vorm Kentern bewahrte und in den heimatlichen Hafen trieb. Hunderte von Medaillen, Teller und andere Trophäen zeugen von erfolgreichen Regatten der Vereinsdamen. Doch besonders gerne blicken die Ruderinnen auf das Gründungsjahr 1947 zurück.

„Wir sind quasi aus der Not geboren“, erklärt Erika Mönnich. Um jegliche alte Strukturen zu zerschlagen, hatten die Alliierten direkt nach dem Krieg alle alten Vereine aus der Nazizeit verboten. Erst 1947 durften sie sich, wenn auch unter einem anderen Namen, neu zusammenschließen. Während die Männer sich zur Rudervereinigung Wannsee zusammentaten, gingen die Damen leer aus. „Man hat uns Frauen nicht haben wollen. Also mußten wir selbst aktiv werden.“ Was zur Nachkriegszeit, als Männlein und Weiblein noch sittsam getrennt ihrem Sport nachgingen, nicht außergewöhnlich war, wirkt aus heutiger Sicht für Außenstehende zunächst etwas altmodisch.

Heute ist der FRCW nur noch einer von bundesweit vier Frauenrudervereinen. Er verfügt über mehr als 30 Boote und 178 aktive Ruderinnen. Die älteste ist mittlerweile 87 Jahre alt, die zweitälteste 86 und die jüngste mal gerade 18. Später, als sich die meisten Vereine mischten, wurde überlegt, ob noch eine zusätzliche Dusche für Männer eingebaut werden sollte. Doch von der Idee sei man schnell wieder abgekommen, denn der Bedarf für einen reinen Frauenverein sei nach wie vor vorhanden.

Auch von der Fitneßwelle habe man profitiert. „Vielen war das Trainieren an den Maschinen wohl zu ungesellig“, meint die Ruderin Connie Gerlach. Während die Gründungsmitglieder sich damals als reiner Frauenverein zusammentaten, um überhaupt rudern zu können, „sind die heutigen Beweggründe, uns beizutreten, bei vielen eine ganz bewußte Entscheidung gewesen“. Man pflegt und bewahrt so quasi ein Stück Frauenkultur. Die 35jährige Connie Gerlach trat dem Frauenruderclub bei, weil man hier auch als unverheiratete Frau als vollwertiges Mitglied akzeptiert und eben nicht nur über den Ehemann wahrgenommen wird. „Die alleinstehende Frau wird sogar beneidet“, frotzelt eine Ehefrau und Mutter, „weil sie ganz alleine über ihre Zeit verfügen kann.“

„Wir haben nichts gegen Männer“, beteuern schließlich alle Damen einstimmig. „Man hat uns natürlich auch als ,Emanzen‘ belächelt“, erzählt die 53jährige Hannelore Korgitzsch, die ebenfalls noch für ein paar Jährchen jünger durchgehen könnte. „Daß wir emanzipiert sind, ist ja wohl selbstverständlich!“ Im Grunde genommen genieße man es einfach, unter sich zu bleiben und über Dinge zu klönen, die die Männer nichts angehen.

Und außerdem lenken Männer nur ab: „Da kann einer langgehen und dabei wie der Glöckner von Notre Dame aussehen“, weiß Korgitzsch, „und alle Frauen drehen sich nach ihm um!“ Kirsten Niemann