■ Querspalte: Das schöne Gesicht
Auf der Suche nach einer Gegendarstellung las ich neulich den Stern. (Ich weiß, noch peinlicher, als den Stern zu lesen, ist es, sich dafür auch noch zu entschuldigen.)
In der Rubrik „Männer plus“ fiel mir eine Parfümwerbung auf (keine Entschuldigung), weil mir das kleinkieselverzierte Gesicht der Werbeträgerin gut gefiel (keine Entschuldigung). Es war eine Werbung für Aqua di Gio von Giorgio Armani. Bisher dachte ich immer, Armani stelle nur Anzüge her, aber das kommt wohl daher, daß ich schon Jahre nicht mehr den Stern gelesen habe (geschickte Klarstellung).
Als ich mich von dem schönen Gesicht endlich lösen konnte und umblätterte, war die Aqua-di-Gio-Werbung noch nicht zu Ende. Jetzt küßte die Frau einen Mann. Auf zwei Seiten. Am linken und rechten Rand des Breitwandfotos war jeweils ein Viertel der Seite nach innen umgeknickt und zugeklebt. „Öffnen Sie hier und entdecken Sie Aqua di Gio“, stand am Kopf des umgeknickten Seitenteils.
Ich entscheide mich für die Seite der Frau, in der Hoffnung, hinter der zugeklebten Fläche weitere Bilder zu finden – vielleicht sogar solche, die erst Kinder mit einer gewissen Feinmotorik sehen dürfen (wie naiv, wird meine Freundin Marei später sagen). Als ich die Klebung geöffnet habe, sehe ich – eigentlich nichts. Eine weiße Fläche mit einem kleinen schwarzen Dreieck.
Verwirrt blättere ich weiter, bis ich merke: Es stinkt. Aqua di Gio, denke ich, jetzt habe ich Aqua di Gio entdeckt. Für Frauen. Das ist die Strafe für meine Neugier. Dummerweise sitze ich in einem vollbesetzten Intercity. Was tun? Soll ich die stinkende Zeitung schnell in ein anderes Abteil verbringen? Aber nichts passiert, niemand schaut in seine Handtasche, ob das Parfümfläschchen ausgelaufen ist. Vielleicht lesen sie selber den Stern und sind solche Multimediawerbung ja gewöhnt.
Ich fürchte, bald wird es Mercedes-Anzeigen mit echten Autoabgasen geben. Christian Rath
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