: Kronzeugin der Anklage
■ Im Oklahoma-Prozeß belastet Jennifer McVeigh ihren Bruder schwer
Denver (AFP/wps/taz) – Im Prozeß um den Sprengstoffanschlag von Oklahoma City hat die Schwester des Hauptangeklagten Timothy McVeigh ihren Bruder schwer belastet. Timothy habe ihr in den Monaten vor dem Attentat erzählt, daß er bis zu 1.000 Pfund Sprengstoff transportiert habe, sagte Jennifer McVeigh am Montag vor dem zuständigen Gericht in Denver im US-Bundesstaat Colorado. Außerdem sei er oft vermummt herumgelaufen und habe einen Decknamen benutzt. Sie habe ihn aber nie nach dem Grund für sein Verhalten gefragt: „Ich glaube nicht, daß ich das wissen wollte“, sagte die 23jährige. Bei dem Bombenanschlag auf ein Regierungsgebäude in Oklahoma City waren vor zwei Jahren 168 Menschen getötet und 674 verletzt worden. Der 29jährige McVeigh, dem bei einer Verurteilung die Todesstrafe droht, beteuert seine Unschuld. Jennifer berichtete, daß ihr Bruder „sehr verärgert“ gewesen sei über den Angriff der US-Sicherheitsbehörden auf die Farm der Davidianer-Sekte bei Waco im Jahre 1993. „Er dachte, die Regierung hat die Leute dort umgebracht“, sagte sie. Sie zitierte Briefe ihres Bruders, in denen er sie vor angezapften Telefonleitungen warnte. In ihrem letzten Gespräch vor dem Attentat am 19. April 1995 habe Timothy ihr anvertraut, daß er „nicht mehr in der Propagandaphase“ sei, und daß sie sich möglicherweise nie mehr sehen würden. „Da war er dann in der Aktionsphase.“
Jennifer, die die regierungsfeindliche Einstellung ihres Bruders teilt, hatte sich erst unter Druck und nach Zusicherung von Straffreiheit zu einer Aussage bereiterklärt. Sie hatte 1992 ihrem Bruder per Post Munition geschickt, weshalb sie ebenfalls hätte angeklagt werden können. In ihrem Computer war auch ein Drohbrief ihres Bruders an die US-Behörden gefunden worden. Sie war die zweite Schlüsselzeugin, die unter der Kronzeugenregelung in dem Prozeß vernommen wurde.
Das FBI identifizierte am Montag auch McVeighs Fingerabdrücke auf einer Rechnung über 2.000 Pfund Kunstdünger, der angeblich die Hauptkomponente des Sprengstoffs ausmachte. Die Rechnung wurde nach FBI-Angaben bei dem Mitangeklagten Terry Nichols (42) gefunden. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, daß McVeigh über Monate hinweg die erforderlichen Materialien für den Sprengsatz zusammentrug, den Tatort besichtigte und unter falschem Namen den Lastwagen mietete, in dem die Bombe hochging. McVeighs Anwalt hatte seinen Mandanten beim Prozeßauftakt als Patrioten mit Interesse für historische Vorgänge geschildert. Beide Angeklagten gelten als Rechtsextreme. Gegen Terry Nichols wird getrennt verhandelt.
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