: Texturen des Lebens
■ Aufrüttelnd, beklemmend und intensiv: Die GAK und die Galerie für Gegenwartskunst zeigen Terry Fox
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Mit diesen Worten empfängt uns der amerikanische Künstler Terry Fox derzeit in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) in der Weserburg. Und was hier schon kaum lesbar ist, dort ist es oft noch schwieriger zu entziffern. Wie bei den alten LateinerInnen windet sich der Text vom „Körper ohne Kopf, Arme und Beine, kahlköpfig, unbehaarte Stelle zwischen den Augen...“ohne jede Trennung in Spiralform um den Grundriß einer Säuglingswiege. Ein semantisches Labyrinth, vor dem man sich auf den Status eines Kindes zurückgeworfen fühlt, das mühsam die ersten Schritte des Lesens unternimmt.
„Art is not about art, it's about communication“, kommentiert der Künstler solche Text-Installationen, in denen Buchstabenfolgen über Stäbe fließen oder sich Morsezeichen, Blindenschrift, Graffitis und eine Art Privatcode fast bis zur Unleserlichkeit überlagern. Aber eben nur fast. Denn mit viel Zeit und den stets dazugelieferten Zeichenerklärungen des Künstlers lassen sich Fox' Texte tatsächlich entziffern. Dabei enthüllen sie dann das ganze Spektrum einer in Worte gefaßten Geschichte des Lebens, von banalen Reimen und Anleitungen für Zaubertricks bis zu den existentiellen Erfahrungen von Krankheit und Tod. Letztere hat Terry Fox in ihrer ganzen Grausamkeit selbst durchgemacht. Schon als Achtzehnjähriger erkrankte er so schwer an Knochenkrebs, daß ihm schließlich ein Teil des Brustkorbs entfernt werden mußte. Vor diesem autobiographischen Hintergrund erst enthüllt der auf den Boden der GAK gelegte überdimensionale Brustkorb aus Metall seine ganze Wucht als Symbol des Leidens, das mit den Buchstaben eines „Passionsgeflüsters“(Jonas Hafner) überzogen ist.
Aber Terry Fox präsentiert nicht nur solche Texturen der Qual, sondern auch äußerst vitale, gesellschaftskritische Werke. So etwa die „Catch Phrases“, in denen er verharmlosende und irreführende Begriffsbildungen aus den Medien anprangert, oder die „Hobo Signs“, in denen er die Zeichensprache der Nichtseßhaften aufgreift. Zudem wartet Fox mit einer gehörigen Portion Ironie auf. Etwa wenn er den Schreibmaschinen-Lernsatz „Jump Quick Brown Fox (!) Over This Lazy Dog“– in dem alle Buchstaben des Alphabets enthalten sind – am Ende in „God“variiert. Damit nicht genug, denn Fox kombiniert ihn mit einem Gedicht über den Brief eines kopflosen Mannes, der von einem Blinden gelesen und einem Stummen Wort für Wort wiederholt wird, während ein Tauber zuhört.
Neben solchen Textarbeiten sind in der GAK noch zwei frühe Filme aus den siebziger Jahren zu sehen, aus denen die Bandbreite dieses Künstlers zumindest ansatzweise ersichtlich wird. Denn Fox – Jahrgang 1943 – ist bei weitem nicht nur der Installationskünstler, als der er hier vorwiegend gezeigt wird. Schon in den Sechzigern machte er sich als Performance-, Klang- und „Body-art“-Avantgardist und als Mitbegründer des „Museum of Conceptual Art“in San Francisco einen Namen.
In den sechziger und siebziger Jahren konfrontierte Terry Fox sein Publikum mit schockierenden Performances, indem er sich zwei sterbende Fische an Zunge und Penis band, um die Todeserfahrung mit ihnen zu teilen, oder er provozierte die Zuschauer wie bei der vorletzten Documenta mit einem Konzert für Autohupen so sehr, daß schließlich die Polizei gerufen wurde.
Auch hier in der GAK erregte er in den achtziger Jahren schon einmal die Gemüter. Und zwar in Form einer Performance mit einem Brathähnchen, wie sich die damalige Leiterin der GAK, Barbara Claassen-Schmal, erinnert. In ihrer Galerie für Gegenwartskunst bekommt man eine Ahnung davon, daß Terry Fox viele seiner Performances ursprünglich als Eigentherapie gegen seine Krankheit entwickelt hat: Im Mittelpunkt ihrer – parallel zur GAK gezeigten – Fox-Ausstellung stehen drei „Tropf-Installationen“, bei denen aus Krankenhaus-Infusionsflaschen Wasser von der Decke tropft. Einmal kaum hörbar in einen Schwamm, einmal deutlich vernehmbar in ein Reagenzglas mit Thermometer und einmal auf eine heiße Herdplatte, wo es zischend verdampft.
Während in der GAK die „Blood Line“, eine Leidensgeschichte aus etwa 7.000 Buchstabentafeln, den Höhepunkt der Schau bildet, ist es bei Claassen-Schmal eine kleine Installation mit dem Titel „The eye“(1997), die den tiefsten Eindruck hinterläßt: Ein Holzkasten, in dem ein vergilbter Spiegel durch ein Loch in der Mitte den Blick auf den dahinterliegenden Raum freigibt, wo neben dem eigenen, gespiegelten Auge der Satz zu lesen ist: „The eye is not the only glass that burns the mind“. Solche Arbeiten angemessen wahrzunehmen, erfordert freilich fast ebenso viel Zeit wie die Entzifferung der Werke in der GAK. Zeit, die man sich unbedingt nehmen sollte. Denn selten genug bekommt man so intensive, existentielle Ausstellungen zu sehen wie diese beiden.
Moritz Wecker
„Elementary Parallelism“in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK), Teerhof, bis 8. Juni; „Three times three times three“in der Galerie für Gegenwartskunst, Bleicherstr. 55, bis 13. Juli.
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