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„Große Rationalisierungsreserven“

■ Der Bremer Professor Hans-Georg Schönwälder über das geplante Kienbaum-Gutachten in Bremen

Das Kienbaum-Gutachten soll in Bremen vor allem die Frage klären, warum in Bremens Schulen soviel Unterricht ausfällt, obwohl es im Ländervergleich eine überdurchschnittliche Lehrer-Schülerrelation und einen Lehrerüberhang von 200 Stellen gibt. Wir sprachen mit Hans-Georg Schönwälder, Professor an der Bremer Uni und Experte für Schulökonomie und Arbeitszeitfragen, über die Kienbaum-Studie und ihre Folgen für Bremen.

taz: Soll die Studie, wie die Bremer GEW kritisiert, nur Sparlücken aufdecken?

Hans-Georg Schönwälder: Das ist die informelle Erwartung, die man an jede Studie stellt.

Was könnte denn als Ergebnis für Bremen herauskommen. Sie kennen ja die Beschreibung der Studie?

Es soll geprüft werden, ob die Lehrer überhaupt effizient in der Schule eingesetzt werden. Das heißt also, ob die Unterrichtspflichtstunden auch in vollem Umfang erteilt werden, ob die Schüler ihrem Anspruch gemäß mit Unterricht versorgt werden und ob dieses mit den zugeteilten Stunden möglich ist. In dem Ausschreibungstext wird allerdings schon unterstellt, daß in Bremen verglichen mit anderen Bundesländern sehr viel Unterricht ausfällt. Dieses ist aber bisher unbewiesen. Es gibt in Bremen rein rechnerisch Schulen, die zuwenig, aber auch Schulen, die zuviele Lehrer haben.

Jetzt sollen die LehrerInnen zwei Stunden mehr unterrichten.

In Schulen mit Lehrerüberhang, z.B. im Gynasium kann es sein, daß der Überhang noch erhöht wird, während in den Grundschulen, die dann zwei Stunden mehr unterrichten, man gen Null kommt. Wenn die Lehrer bei ihren Qualitätsstandards bleiben wollen, wird dieser Berufstand – nach den Untersuchungen, die ich kenne – zusätzlich belastet werden.

Diese Belastungen sollen nun in Bremen unter die Lupe genommen werden. Auch Nordrhein-Westfalen plant so eine Studie. Sie hätte vor dem Kienbaum-Gutachten starten sollen, forderte die GEW in NRW.

Das ist auch vollkommen richtig. Die Basis unter dem Kienbaum-Gutachten fehlt. In der Ausschreibung des Gutachtens steht explizit nicht drin, daß das gesamte Tätigkeitsspektrum der Lehrer auf Effizienz hin untersucht werden soll.

Die Kienbaum-Ergebnisse in NRW führten dazu, daß neue LehrerInnen eingestellt wurden, Stundenentlastungen für alte LehrerInnen weggefallen sind. Das hört sich ja erstmal gar nicht so schlimm an?

Das ist ja damals gewesen. Heute würde man darauf anders reagieren. Die Schlußfolgerung, die ich aus der Studie gezogen habe, ist die: An den Schulen gibt es große Rationalisierungsreserven. Diese Spielräume sind keineswegs voll ausgeschöpft. Darüber haben wir uns bisher zu wenig Gedanken gemacht.

Was könnten denn das für Reserven sein?

Zum Beispiel die pädagogische Norm, daß SchülerInnen zunehmend selbständig tätig sein sollen und LehrerInnen zurücktreten sollten. Wenn Sie die Schulen angucken, dann sehen sie die steigenden Schülerzahlen in den Grundschulen. Wenn Sie da Leistungskurse mit zwölf Schülern sehen, dann könnte man doch drei von denen zusammenlegen. Das sind dann 36 Leute, die vermehrt allein arbeiten könnten. Das müssen sie ja an der Universität auch können. Dafür könnte man dann an den Grundschulen bessere Bedingungen schaffen. Das wäre mir mindestens eine Überlegung wert.

Fragen: Katja Ubben Foto: Katja Heddinga

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