: Wahlen erschüttern Westafrikas Erfolgsmodell
■ In Mali führt die Präsidentschaftswahl die junge Demokratie in eine schwere Krise
Berlin (taz) – In Ségou, der zweitgrößten Stadt Malis, herrscht nach Brandanschlägen auf das Gebäude der Regierungspartei Ausgangssperre, alle Schulen des Landes sind geschlossen, die Regierung warnt vor einer „Spirale der Gewalt“ und die Opposition ruft auf, die Wahlen nicht nur zu boykottieren, sondern auch zu „verhindern“. So erlebte das westafrikanische Mali gestern seine Präsidentschaftswahl. Dabei ist Mali ein Modell für Afrika: Es genießt seit dem Sturz der Militärdiktatur 1991 politische Reformen und hohe Wirtschaftswachstumsraten; Staatschef Alpha Oumar Konaré gilt als aufrechter Demokrat.
Aber jetzt mußten schon die Parlamentswahlen vom 11. April nach einem knappen Sieg der Regierungspartei annulliert werden. Das Verfassungsgericht stellte „schwere Unregelmäßigkeiten“ fest: „Es gab so gut wie überall keine Wahllisten.“ Das wog um so schwerer, als die Regierung 1996 die Erstellung der Wahllisten einer Privatfirma übertragen hatte, die sich im Besitz eines Schwagers von Präsident Konaré befindet. Lobenswert war immerhin, daß die Regierung ihre Fehler einsah und die Annullierung selbst einforderte. Die Opposition, in der sich Nostalgiker der Militärdiktatur Seite an Seite mit enttäuschten früheren Bürgerrechtlern finden, verlangte daraufhin auch die Auflösung der Wahlkommission und eine Verschiebung der Präsidentschaftswahl. Die Regierung verschob die Wahl aber nur um eine Woche auf den gestrigen Sonntag. Am Mittwoch wies das Gericht einen Einspruch der Oppositionsparteien, die am Vortag zum Boykott aufgerufen hatten, zurück.
Mit einem einzigen, völlig unbedeutenden Gegenkandidaten wird Konaré problemlos wiedergewählt werden – und ein wenig von seinem Glanz einbüßen. Vor der Wahl griff er bereits zu autokratischen Parolen. Er bot seinen Gegnern eine Allparteienregierung an und setzte sie zugleich mit Putschisten gleich: „Wer sich weigert, wählen zu gehen, akzeptiert die Machtergreifung durch die Straße.“ Dominic Johnson
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