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■ QuerspalteGefährlich fremde Heimat

Service heißt das neue Zauberwort aller Journaille. Doch weil das allzu billig klingt, wird dem bisweilen das Wörtchen aufklärerisch beigestellt. Service also im Dienst der Aufklärung, der Emanzipation des mündigen Lesers, Zuhörers, Zuschauers. Am besten beherrscht dies die Redaktion der Woche, weil die auch noch über super Graphiker verfügt und der aufklärerische Dienst am Kunden so optimal umgesetzt werden kann.

Jüngstes Beispiel: der „Risiko-Guide“ in der letzten Ausgabe, S.47, entworfen von Ulrike Triller (oder Thriller?). Mit eingängigen Symbolen (Bombe, Pistole, Langfinger, Blitz und Verbotsschild), alle irgendwie aus dem Alltag bekannt, wird eine Liste erstellt, die anzeigt, daß nahezu ein Viertel der Länder dieser Welt guten Gewissens kaum bereisbar sind.

Entweder gibt es keine Diebe, dann aber könnte es im Bus knallen (China), oder es gibt keinen echten Terror, dann aber gefährliche Krankheiten (Rußland). Oder aber das Land ist frei von räuberischen Herumtreibern, dann aber ist Vorsicht geboten, etwa bei Annäherung mit dem Schlauchboot über See (Zypern, Achtung: Terror, Krieg!). Geschmückt ist der Beitrag mit einem geschmackvollen Bild der entführten Kaschmir-Geiseln.

Allerdings hat der Guide einen eklatanten Nachteil: Er ist nur für Auslandsurlauber brauchbar. Was aber ist mit den Abertausenden, die sich jedes Jahr in der deutschen Heimat erholen wollen? Wo sind die Hinweise: Achtung, in Deutschland Bahnhöfe meiden (Langfinger, extreme Strafen bei Drogenbesitz) und im Frühjahr den Harz oder das Rheintal aussparen (Naturkatastrophen). In gar keinem Fall in ostdeutschen Ostseebädern essen gehen (gesundheitliche Schäden zu befürchten) oder Campingplätze aufsuchen (Terror, Krieg).

Ein grober Patzer, Herr Bissinger, gerade für ein Blatt, das in Deutschland mit aufklärerischem Service Auflage machen will. Und das, wo sogar die Zeit, bisher eisern servicefreie Zone, unter neuem Chef auf Modernisierungskurs gebracht werden soll. Andreas Werner

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