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Statt beantragt Asyl bei SPD

■ Reichert fällt um: „Hospitanz“ der Statt Partei bei der SPD wird immer wahrscheinlicher / Scheelhaase bleibt der Wackelkandidat Von Silke Mertins

Vom Parteienschreck zum Parteien-Appendix: Nachdem der Chef der Schrumpf-Stattianer, Achim Reichert, es noch am Mittwoch abend kategorisch abgelehnt hatte, in der SPD zu „hospitieren“, kippte er gestern um. „Wild entschlossen“ die Kooperation weiterzuführen, schloß er gestern nach dreistündigen Verhandlungen mit Bürgermeister Henning Voscherau, Fraktions-Boß Günter Elste und Partei-Chef Jörg Kuhbier einen „Gaststatus“ in der SPD nicht mehr aus.

Es gehe darum, die „Stabilität“ der Regierungskooperation wieder herzustellen – notfalls eben auch als graue SPDler. „Dabei ist für uns nur ein Modell vorstellbar, das uns ermöglicht, auch weiterhin eigenständig in Erscheinung zu treten.“ Die Reichert-Truppe, die sich unter dem Namen „Statt Partei – die 5 Unabhängigen“ als parlamentarische Gruppe formiert hat, würde gleichzeitig politisches Asyl bei der SPD suchen und den Konfrontationskurs in Sachen Gewerbesteuer und Wahlrecht beibehalten wollen.

Auch Elste sieht bei diesem Spagat kein Problem. Es ginge nur darum, „organisatorische Grundlagen für die parlamentarische Arbeit“ zu schaffen, und zwar „eine stabile Konstruktion“. Endgültig entschieden ist allerdings noch nichts: Bis Ende nächster Woche wird noch offen bleiben, ob die stattlichen Reste ihr politisches Heil unter der Fuchtel der SPD suchen werden oder ob es gelingt, mit Hilfe des Abtrünnigen Klaus Scheelhaase wieder zur Fraktion zu werden.

Angesichts der Vehemenz, mit der die SPD einen berechenbaren Kooperationspartner einfordert und gleichzeitig artig die bisherige gute Zusammenarbeit lobt, ist eine Rückkehr von Scheelhaase nicht sehr wahrscheinlich. Bei den Verhandlungen mit dem 75jährigen Busenfreund des Schon-Wieder-Rebells Markus Wegner müsse „ein solider Grund für die Annahme“ herauskommen, daß er „verläßlich“ sei, so Statthalter Reichert.

Doch Klaus Scheelhaase, der zusammen mit Wegner diese Woche die Fraktion der Statt Partei verlassen hat, wird immer ein Wackelkandidat und Wegner-Lautsprecher bleiben. Die SPD machte gestern deutlich, daß sie an weiteren Unsicherheitsfaktoren für den Rest der Legislaturperiode kein Interesse hat.

Daß die stattliche Fünfer-Bande bei der SPD „unterschlüpfen“ wird, glaubt auch GAL-Chef Willfried Maier. Würden Reichert und Gefolgschaft allerdings glauben, „bei der SPD-Fraktion die gleiche Rolle zu spielen, wie die CSU in der CDU/CSU-Fraktion, verkennen sie ihren Einfluß und ihr Gewicht.“

„Bloßes Durchlavieren“ sei das, reibt sich indes der CDU-Fraktions-vorsitzende Ole von Beust die Hände, „Grundlage für seriöses Regierungshandeln ist das nicht.“

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