Straßenbau wie in Hongkong

■ Gemeinden südlich von Lübeck wollen gegen die Ostsee-Autobahn A 20 vor dem Bundesverwaltungsgericht klagen

Dem Hamburger Rechtsanwalt Michael Günther gruselt es vor der Ostseeautobahn A 20 von Polen entlang der mecklenburgischen Küste über Lübeck nach Hamburg. Der geplante Kahlschlag der Natur im geschützten Tal des Flüßchens Wakenitz südlich von Lübeck erinnert ihn an „Infrastrukturprojekte von Hongkong“. Auf elf Seiten hat Günther jetzt dargelegt, weshalb – wenn schon Autobahn – die Nordumgehung der Hansestadt billiger und umweltverträglicher wäre.

Diese war, Gutachten her, Prognosen hin, vom Kieler Landesamt für Straßenbau verworfen worden; statt dessen wurden die Planungen für die fast sechs Kilometer lange südliche Umgehung von der ehemaligen DDR-Grenze bis zur Anbindung an die Autobahn A 1 Hamburg - Lübeck jüngst mit einem Planfeststellungsbeschluß betoniert (taz berichtete).

Widersprüchlich findet Günther, daß in diesem Planfeststellungsbeschluß zwar bestätigt wurde, daß „eine Nordvariante zu ganz erheblichen Minimierungen der Umweltauswirkungen führt“, die Entscheidung dann aber doch für die Südvariante fiel. Denn das Argument, die Nordumgehung erfordere wegen zusätzlicher Verkehrsströme einen weiteren Ausbau der A 1, führe zu „unzumutbaren“Luftbelastungen und sei vor allem teurer, läßt der Jurist nicht gelten.

Erstens werde mit „viel zu großen Verkehrsmengen“gerechnet. Der A 1-Ausbau sei also unnötig. Luftschadstoffe und Lärmbelastung seien aufgrund veralteter Gutachten „falsch beurteilt“worden. Und: „Ein zeitnaher, substantiierter und nachvollziehbarer Kostenvergleich fehlt“, wundert sich Günther. Ganz schlimm aber findet er, daß „die Senkung der CO2-Belastungen, obwohl völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesregierung, nicht als abwägungserheblich bezeichnet wird“.

Bis zum 23. Juni können die betroffenen Gemeinden gegen die Lübeck-Umgehung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin klagen. Mit zahlreichen Klagen von Einwohnern, die die Asphaltpiste selbstredend nicht vor ihrer Haustür haben möchten, ist zu rechnen.

Die weitere Streckenführung der A 20 von Lübeck nach Bad Segeberg dagegen befindet sich erst in der „Linienbestimmung“, also in einem sehr frühen Stadium der Planung. Die Unterlagen liegen bis zum 28. Mai im Lübecker Presseamt, im Amt Nordstormarn in Reinfeld, in der Amtsverwaltung Segeberg-Land sowie im Rathaus Stockelsdorf öffentlich aus. Bis zum 11. Juni können dort Einwendungen schriftlich eingereicht werden. Danach beginnt das Genehmigungsverfahren. Heike Haarhoff