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■ NachschlagTanzen für Artaud: Johann Kresniks "Antonin Nalpas" im Prater

„Keine Herzschrittmacher“, sagt die Dame am Eingang und verteilt Nummern. Damit irren die Besucher durch den Pratersaal zwischen Stühlen, die unter weißen Hemden stecken. 29, 88, wo ist Platz 99? Man fühlt sich deplaziert, man möchte nicht von der Aktion der Schauspieler überrascht werden. So vereint die Besucher kurz ein Abglanz jener Panik, die Kresnik zur Grundstimmung seiner Artaud-Studie gemacht hat. Doch die Verunsicherung bleibt der stärkste Effekt – neben der Angst, mit Innereien eines gemetzelten Thunfisches beworfen zu werden. Das aber hat weniger mit der Erschütterung durch Artauds Kunst zu tun, sondern mit Bangemachen.

Sonderlich differenziert nähert sich Johann Kresnik dem psychiatrisierten Dichter nicht an. Der Volksbühnen-Choreograph reduziert Artaud auf das Opfer von Medizin und Herrschaftsvernunft. Die blauen Blitze von Frankensteins Labor und die Badewanne als klinisches Folterinstrument markieren den Schauplatz, an dem sich der Tänzer Daniel Chait und der Schauspieler Bernhard Schütz verfolgen. Sie umklammern sich wie die Kartenkönige, klettern wie ein Dämon auf den Rücken des anderen, treten sich in die Bäuche und drücken sich unter Wasser. Soll ihr Zweikampf die Qualen der gespaltenen Persönlichkeit Artaud vorführen? Der Dichter und sein Double? Wenig weist über solch eine platte Illustration hinaus.

Bernhard Schütz in „Antonin Nalpas“ Foto: Thomas Aurin

Vor allem läßt die Inszenierung den sprachlichen und körperlichen Bildern viel zu selten ihre Eigenständigkeit. Die Textfragmente, die Schütz aus letzten Briefen Artauds aus der Irrenanstalt zitiert, haben kaum Raum, um der Verschiebung von der Botanik zur Politik und in die Sexualität zu folgen. Statt in die Windungen der Gedanken kriechen zu können, bleibt man außen vor. Die Brüche, die das Fühlen und Denken zwischen dem physischen Empfinden und der symbolischen Ordnung der Worte erleidet, werden selten so plastisch, wie wenn Daniel Chait des Dichters Stimme auffrißt, indem er das Band von der Tonbandspule verschlingt. Meist aber verzappelt sich der Tänzer, will er die kalligraphische Form des Tanzes verlassen. Erst wenn Schütz seinen Pirouetten nacheifert und irdische Schwere die flüchtigen Figuren einholt, entsteht eine Ahnung vom Bruch der inneren und äußeren Bilder. Katrin Bettina Müller

Heute und 30./31.5., 21 Uhr, Prater, Kastanienallee 7–9

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