piwik no script img

Berliner Knackis an die Leine

■ Justizsenatorin plant Modellversuch mit elektronischem Hausarrest. Zusätzliches Personal für unangemeldete Hausbesuche durch Umverteilung von Geldern

Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) bastelt eifrig an der elektronischen Fußfessel für Straftäter. Auf der Justizministerkonferenz Mitte Juni will sie die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe vorstellen, die unter ihrer Leitung Erfahrungen über den elektronischen Hausarrest im Ausland gesammelt hat. Nach Angaben von Justizsprecherin Corinna Bischoff sei ein Berliner Modellversuch vorstellbar. Dazu müßten alle Justizminister einer vorläufigen Änderung des Strafvollzuggesetzes zustimmen. „Wir haben eine positive Resonanz“, so Bischoff.

Peschel-Gutzeit, die Anfang des Jahres in Schweden war, wo „die elektronische Leine“ seit Januar landesweit erprobt wird, will den Hausarrest bei Straftätern mit Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten anwenden. Sinnvoll seien insbesondere Trunkenheitsdelikte, wenn sie von Therapiemöglichkeiten begleitet werden. Vorstellbar sind nach Angaben von Bischoff Therapien oder Gesprächsgruppen bei den „Anonymen Alkoholikern“. Um wie in Schweden Sozialarbeiter zu unangemeldeten Kontrollbesuchen vorbeizuschicken, so Bischoff weiter, stelle sich die Frage nach zusätzlichem Personal. Vorstellbar wäre eine „Umverteilung von Geldern“. Im Vergleich zu einem Haftplatz, der mit etwa 220 Mark pro Tag zu Buche schlägt, kostet der Hausarrest nur etwa die Hälfte. Die Kostenersparnis sei eine „angenehme Randerscheinung“, so Bischoff. Das sei jedoch ebensowenig entscheidend wie eine zwangsläufige Entlastung der überfüllten Haftanstalten. Im Vordergrund stehe die Resozialisierung“. Die sei „erfolgversprechender“, wenn der Betroffene weiter seiner Arbeit nachgehen kann und nicht aus seiner Familie herausgerissen wird.

Um einen Berliner Modellversuch zu starten, müßte eine Gesetzesinitiative in den Rechtsausschuß eingebracht werden. Dort ist das Thema heftig umstritten. Die justizpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, bezweifelt den „kriminalpolitischen Nutzen“. Es sei fraglich, ob der elektronische Hausarrest zu einer Haftvermeidung führe. Auf „erhebliche Skepsis“ stößt das Vorhaben auch bei der CDU-Fraktion. Es sei ein „völlig falsches Signal“, so der rechtspolitische Sprecher der CDU, Andreas Gram, wenn Berlin als „rechtspolitische Spielwiese herhalten würde“. Von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer e.V. kann die Justizsenatorin ebenfalls keine Unterstützung erwarten. Diese lehnt den elektronischen Hausarrest aus „berufsethischen Gründen“ ab. Der Vorstandsvorsitzende der Straffälligen und Bewährungshilfe Berlin e.V., Bernd-Rüdeger Sonnen, merkt an, daß „die elektronische Fußfessel“ kein Beitrag zur Primärprävention sei. Barbara Bollwahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen