„Hänge am HSV“

■ Der Club und das Chaos: Interview mit Sven Janke, seit fast zwei Jahrzehnten Rothosen-Fan

Seit 1979 ist Sven Janke HSV-Fan. Doch was der 27jährige vergangenen Sonnabend beim 0:4 gegen Köln erleben mußte, war eine ganz neue Erfahrung. „Ich bin weit vor dem Abpfiff nach Hause gegangen.“Normalerweise hält er immer bis zum Ende aus. „Aber diesmal war es zuviel des Schlechten“, gesteht Janke, seit deren Gründung Mitglied in der Fangruppierung „HSV Supporters Club“. Morgen gegen Dortmund – Anpfiff um 15.30 Uhr – geht Janke aber wieder ins Volksparkstadion. „Ein Boykott würde mir nie einfallen“, sagt er vor dem letzten Heimspiel dieser Serie, „ich will doch sehen, was die Jungs so bringen.“

taz: Haben Sie sich schon von den Schrecken der Woche erholt?

Sven Janke: So leicht geht das nicht. Es war eine Katastrophe, was sich die Spieler geleistet haben. In einer normalen Firma fliegt man dafür raus. Die haben nicht einmal versucht, zu retten, was noch zu retten ist. Die Arbeitseinstellung ist mies. Es ist doch ein Unding, wenn Spieler öffentlich lamentieren und uns eins vorheulen.

Was müßten die Spieler tun, damit die Fans nicht weiter zürnen? Als erste Maßnahme hat die Mannschaft beschlossen, den Fans eine Reise zum letzten Saisonspiel nach Düsseldorf zu organisieren und zu bezahlen.

Es bringt nichts, wenn die eine Erklärung abgeben, daß es ihnen leid täte. Die sollen nicht den besten Satz vor der Presse bringen, sondern den besten Spielzug auf dem Platz. Auf ihre Arbeit sollen sie sich konzentrieren. Dann ist die Sache schnell vergessen.

Wie schnell?

Das hängt davon ab, wie es in den beiden letzten Saisonspielen und zu Beginn der neuen Serie läuft. Wenn die Leistung stimmt, können die das wieder geradebiegen. Dann haben wir sie auch wieder alle gern.

Wie sehr mochten die Fans den entlassenen Trainer Felix Magath?

Auf der Tribüne habe ich keine „Magath raus“-Rufe gehört. Die Art und Weise, wie er gefeuert wurde, finde ich völlig daneben.

Der Erste Vorsitzende Uwe Seeler hat gesagt, er habe keine andere Chance gesehen.

Der Vorstand hat Magath demontiert. Lange und Bähre (Vizepräsident und Beisitzer; die Red.) haben mit ihrer Intrigenspinnerei hintenrum viel kaputtgemacht.

War Magath fehlerfrei?

Die Methoden waren teilweise richtig. Er hat viel, aber nicht mehr als auch von sich selbst. Als Typ war er in Ordnung.

Frank Pagelsdorf und Aleksandar Ristic werden als Nachfolger gehandelt.

Auf Ristic hätte ich nicht so 'ne Lust. Der läßt mir zu defensiv spielen. Und Pagelsdorf ist zwar ganz sympathisch. Aber er hat das Problem, daß er aus Rostock kommt. Ich vermute, daß er deshalb nicht sonderlich viel Anklang bei den Fans finden würde.

Reicht ein neuer Trainer, um die Wende herbeizuführen?

Als Seeler anfing, haben viele gesagt, er übernehme ein sinkendes Schiff. Jetzt ist das Schiff weiter gesunken. Es ist kurz davor, chaotisch zu werden. Das Schlimmste ist: Ich sehe keine Perspektive.

Warum sollte es nicht besser werden?

Der Aufsichtsrat ist viel zu passiv, und der Vorstand hat kein Konzept. Seeler hat kaum noch etwas zu melden. Lange hält die Zügel in der Hand. Der benutzt den Verein nur, um sich selbst in den Vordergrund zu spielen. Seine große Liebe zum HSV nehme ich ihm nicht ab. Seine Geschäfte, auch mit dem neuen Stadion, sind ihm wichtiger. Und jetzt ist mit Hackmann ein ehemaliger Senator auch noch Geschäftsführer geworden. Beim HSV herrscht ein große Verfilzung.

Wie sieht das mit Seeler aus?

Trotz aller berechtigten Kritik bleibt er eine Respektsperson. Ihn will niemand anmachen, weil die Angst herrscht, daß er dann den Kram hinschmeißt. Er sollte aber mehr seine eigene Meinung vertreten und die Karre aus dem Dreck ziehen.

Und wenn er es nicht schafft, der HSV absteigt? Es fehlt ein Punkt zum Klassenerhalt.

Es wäre schlimm, wenn wir den nicht holen würden. Ich hänge am Club. Der HSV ist ja der Verein in Hamburg.

Fragen: Clemens Gerlach