Nachgefragt: Unseriöser Vergleich
■ Interview mit D.Oehlschläger (GdP)
Bremen hat zuviele Polizisten, behauptet zumindest eine Arbeitsgruppe des Senats (taz 22.5). Die Gewerkschaft der Polizisten (GdP) will trotzdem 100 Neueinstellungen. Warum, wollten wir von Dieter Oehlschläger, Landesvorsitzender der GdP, wissen.
Herr Oehlschläger, von Ihnen gibt es zu viele...
Stimmt nicht. Wir haben zuwenig Polizisten. Ein Vergleich zwischen den Großstädten Hamburg, Berlin und Bremen hat gezeigt, daß in Bremen Polizisten fehlen.
Bremen ist aber nicht Berlin oder Hamburg.
Von der Kriminalität her sind die Städte aber durchaus vergleichbar. Das ist auch der Casus Cnactus in der Untersuchung der Senatsarbeitsgruppe. Bremen wird mit anderen Flächenländern verglichen. Das ist der Vergleich zwischen Äpfel und Birnen. In Ballungsgebieten herrscht eine ganz andere Kriminalität als in Flächenländern. Auf Dörfern passiert halt weniger als in der Großstadt. 1992 – zu Zeiten der Ampel – ist ein solcher Städtevergleich zwischen Bremen und Städten wie Hannover, Hamburg, Stuttgart erstellt worden. Damals hat man festgestellt, daß in Bremen über 900 Polizisten fehlen! Heute, wo die Große Koalition regiert, soll das alles nicht mehr stimmen.
900 Polizisten! Sie wollten nur 100 Neueinstellungen.
Ich will Ihnen noch andere Zahlen nennen. In Deutschland sind in den letzten 20 Jahren im Durchschnitt 20 bis 25 Prozent Polizisten mehr eingestellt worden. In Bremen ist in dieser Zeit Personal abgebaut worden. Die 100 neuen Stellen, die wir fordern, dienen nur dazu, das Soll, ich wiederhole, das Soll für das Jahr 2000 zu erhalten.
Die Arbeitsgruppe hat die Fallzahlen zwischen Bremen und Bremerhaven miteinander verglichen. Die Bremer bearbeiten 37 Fälle, die Bremerhavener nur 29 Fälle. Sind Bremerhavener Polizisten fauler?
Nein, auch das ist ein unseriöser Vergleich. Wenn ich von Fallzahlen spreche, muß ich mir genau ansehen, in welchen Feldern die Polizei arbeitet. Ein Mord bringt einen ganz anderen Arbeitsaufwand als eine Verwarnung. Beides sind aber Fälle. Insofern sind die Fallzahlen mit Vorsicht zu genießen.
Zahlen hin, Zahlen her. Warum brauchen wir mehr Polizei? Die Kriminalität geht doch zurück.
Wir haben zwar keinen Anstieg der Kriminalität, aber einen drastischen Wandel in Richtung Gewalt und Jugendkriminalität. Polizei ist kein Allheilmittel gegen Kriminalität. Kriminalität legt oft sozialpolitische Schwächen offen. Aber die Polizei ist nun einmal dazu da, die Sicherheit zu gewährleisten. Und wenn ich dann lese, daß wir in Bremen über 500 private Sicherheitskräfte haben, und Herr Borttscheller quittiert das auch noch mit der Bemerkung, dies sei eine Erleichterung für die Polizei, weil sie sich leichter auf ihre hoheitlichen Aufgaben konzentrieren könne, dann kann ich darüber nur lachen. Das sind Leute, die uns fehlen. Wir schieben einen hohen Berg von Überstunden vor uns her. Wir können kaum noch die Aufgaben erledigen, die wir eigentlich erledigen müßten. Bremen braucht mehr Polizisten. Die Spardiskussion darf nicht dazu führen, daß Sicherheit zu einem unbezahlbaren Gut wird.
Fragen: Kerstin Schneider
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