Hund und Katze vom Winde verweht?

■ Vorstandswahlen und Atompolitik bestimmen den Parteitag der Nord-Grünen

„Die Ausstiegspolitik der Grünen ist vom Winde verweht“, kritisiert die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Energie der schleswig-holsteinischen Grünen. In einem siebenseitigen Papier zieht sie enttäuscht Bilanz nach einem Jahr rotgrüner Koalition in Kiel: „Vor der Landtagswahl wurde der Ausstieg im grünen Wahlprogramm noch als politischer Auftrag bezeichnet, heute hingegen wird eine ernsthafte Ausstiegspolitik vermieden, weil sie als Konfliktfeld gilt, das störend ist für die Aufrechterhaltung des Koalitionsfriedens.“

In einem Antrag zur heute in Eckernförde beginnenden zweitägigen grünen Landesdelegiertenkonferenz fordert die LAG Energie unter anderem, die Landesregierung solle „die erforderlichen juristischen Schritte benennen, um für die einzelnen Atomanlagen Stillegungsverfügungen ausarbeiten zu können.“

Vor allem aber richtet sich das Papier gegen den grünen Staatssekretärs im Kieler Energieministerium, Willfried Voigt. Dessen Ansichten „als Staatssekretär“zum Atomausstieg wichen „offenbar gründlich von denen ab, die er als Wahlkämpfer noch hatte.“Die LAG wirft ihm beispielsweise vor, Anfahrgenehmigungen für die AKWs Brokdorf und Brunsbüttel ohne spezielle Überprüfungsauflagen erteilt zu haben, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart worden seien. Eine Entscheidung über die Einrichtung eines Ausstiegsbeirates schiebe er vor sich her.

Kritik am bisherigen Kurs der grünen Regierungsfraktion kommt auch von WissenschaftlerInnen der beiden norddeutschen Leukämiekommissionen. „Die grüne Regierungsbeteiligung in Schleswig-Holstein hat den politischen Willen, die Krümmel-Leukämie aufzuklären, höflich ausgedrückt, nicht gestärkt“, schreiben die Experten in einem offenen Brief an Voigt sowie an den grünen Umweltminister Rainder Steenblock.

Noch zwei weitere Probleme dürften auf dem Eckernförder Parteitag heftig diskutiert werden. Der „Widerstand gegen die A 20“, der am Sonntag nachmittag auf der Tagesordnung steht, könnte zu einer Abrechnung mehrerer Kreisverbände mit der Kieler Verkehrspolitik führen. Große Teile der grünen Basis möchten den Bau der Ostseeautobahn südlich von Lübeck zum Knackpunkt für die Koalition machen.

Bereits am Sonnabend vormittag wird es bei der Neuwahl des grünen Landesvorstandes hoch hergehen. Nach dem Rücktritt des Realo-Flügels um Vorstandssprecher Klaus Müller ist einzig noch die Koalitionskritikerin Antje Jansen im Amt, die sich deshalb ganz allein einer Vertrauensabstimmung stellen muß.

Sowohl Müller wie auch Jansen schließen einen neuen Vorstand mit dem jeweils anderen kategorisch aus. Ob die Neuwahl „für Hund oder Katze oder gar gegen beide“ausfällt, so ein Spitzengrüner, sei „in dieser Partei nicht vorhersehbar“. Achim Fischer /

Sven-Michael Veit