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Ganz wie im richtigen Leben

■ Von Jugendlichen für Jugendliche: Zur heutigen Premiere der Oper „Cinderella“, mit der die Staatsoper Neuland betritt

Blöde Lateinklausur. Und jetzt auch noch alle Mädchen des Landes zu einem Ball einladen und die Schönste heiraten? Bloß das nicht. In übelster Pubertätslaune schmeißt sich der Prinz in einen der vergoldeten Prunksessel im Apollo-Saal der Staatsoper: Fototermin für das Plakat zur Kinderoper „Cinderella“. Mit der Adaption des Aschenputtel-Märchens, die heute Premiere hat, präsentiert die Staatsoper ein echtes Novum: Eine Oper für Kinder, die nicht von Erwachsenen und nicht von Profis gemacht wird, sondern von ganz normalen SchülerInnen.

„Das Besondere an diesem Projekt ist, daß die Kinder und Jugendlichen hier zum ersten Mal erfahren, was es heißt, wirklich eine Produktion selbst zu tragen und selbst zu verantworten“, erklärt Frank Martin Widmaier, Regieassistent an der Staatsoper, der die Inszenierung von „Cinderella“ erarbeitet hat. „Sonst kommen Kinder in der Oper doch oft nur als schmückendes Beiwerk vor, was alle sehr freut, was sie aber auch nicht richtig ernst nimmt und in dem Rahmen bleibt, den man eben Kindern zutraut.“

Kosten durfte der Versuch eines anderen Jugendmusiktheaters allerdings nichts, an der Staatsoper fehlen – wie fast überall – Etats für Jugendprojekte. Um so mehr Engagement war von den siebzig beteiligten SchülerInnen zwischen sieben und sechzehn Jahren während der monatelangen Proben gefordert. Die heutige Premiere sieht Regisseur Widmaier „nur“ als Endpunkt eines Prozesses: „Uns geht es um die Entdeckung jedes einzelnen Kindes, zu was es fähig ist auf der Bühne, darum, daß es erfährt, wie es über sich hinauswachsen kann im Singen, Spielen und Tanzen.“

Auch in der Interpretation des Aschenputtel-Stoffes geht es um eigene Erfahrungen. Der Prinz ist ein unnahbarer Rockstar, Cinderella, sein schwärmender Fan, ein armes Au-pair-Mädchen. „Ich finde, das ist ganz wie im richtigen Leben, man will in eine Clique rein und findet einen Jungen unheimlich süß, und dann kriegt ihn erst jemand anders, und am Ende kriegt man ihn dann doch“, meint Indra Podewils (15).

Aber anders als im wirklichen Leben muß Aschenputtel sich in der Oper hauptsächlich auf ihre schöne Stimme und ihre magischen Schuhe verlassen, um den Prinzen zu kriegen. Am märchenhaften Klischee vorbei agieren Cinderellas Konkurrentinnen, drei häßliche Schwestern, die ebenfalls um den Prinzen werben: Mit viel Witz und Selbstironie bringen hier drei Jungen im Stimmbruch eine schräg verschobene Weiblichkeit auf die Bühne. Nur zum Schluß hört der Spaß für Jamie McWilliam (14) auf – da wird er nämlich als Trostpreis mit einem Admiral des Prinzen verheiratet und soll mit seinem neuen Mann in eine der Kisten steigen, aus denen das Bühnenbild besteht: „Iii, das ist mir aber zu schwul!“

Auch die Musik ist nicht ohne Tücken. Der Komponist Peter Maxwell Davies verlangt einiges von den jugendlichen Opernstars: atonale Melodien, lange Rezitative und Arien fordern die Stimme heraus, während man dazu noch schauspielern und tanzen muß. „Aber gerade dadurch, daß sie all das selbst leisten müssen und nicht bloß zuschauen, wollen wir ja die Jugendlichen an diese komplexe Kunstform heranführen“, erläutert Widmaier.

Seine Cinderella-Darstellerin, die siebzehnjährige Juliane Flemming, ist sicher nicht der einzige neue Opernfan, den die Staatsoper mit diesem Projekt gewonnen hat: „Was mir erst jetzt so aufgefallen ist – also bei Filmen, die guckt man vielleicht wegen Tom Cruise, aber bei einer Oper wie Aida, da hat's nicht unbedingt was damit zu tun, wie die Leute aussehen, die spielen das dann so toll, diese Gefühle mit der Musik dazu, da krieg' ich schon mal Gänsehaut.“ Sophie von Glinski

Premiere am 24.5., 15 Uhr, Staatsoper Unter den Linden; weitere Aufführungen: 25., 28., 29. Mai, 1. Juni

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