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Galopp durch die Kanülen des CIA

■ Der Wahlkubaner Daniel Chavarría stellt seinen Polit-Thriller „Die Wunderdroge“vor

Wenn dem US-Geheimdienst CIA eine magische Droge in die Hände fällt, die eine absolut effiziente Gehirnwäsche garantiert, fällt es leicht zu erahnen, gegen wen sie eingesetzt werden soll: natürlich gegen den sozialistischen Erzfeind Kuba. Der Zaubertrunk, destilliert aus Blättern bestialisch stinkender Amazonas-Baumriesen, liefert den Stoff für einen hochspannenden Polit-Thriller. Die Wunderdroge von Daniel Chavarría verknüpft die Dramaturgie eines Agenten-Thrillers mit der heroischen Saga eines kämpferischen spanischen Adelsgeschlechts und faszinierenden ethnologischen Berichten von den Naturvölkern Amazoniens. Umgesetzt in einen atemberaubenden Galopp durch verschiedene sprachliche Stilebenen, in denen die Bilderfülle Lateinamerikas mit dem kargen Geheim-Codes von CIA-Agenten brillant kontrastiert.

Der Autor entführt den Leser in weit auseinanderdriftende Welten: von der Entdeckung der Wunderdroge im brasilianischen Dschungel durch einen FAO-Mitarbeiter, der sich notgedrungen mit dem animistischen Glauben eines Indios auseindersetzt, bis hin zum Jahre später entworfenen Einsatzplan Usher, ausgebrütet von der skrupellosen US-Geheimdienstzentrale. Dabei gelingt es Chavarría, den Charakter eines von Urinstinkten getriebenen Goldgräbers genauso eindringlich zu zeichnen wie den eines CIA-Bosses. Mittels bloßer Aktenzeichen wird dieser zum vielfachen Mörder am Schreibtisch.

Daniel Chavarría, 1933 in Uruguay geboren, ist ein Wanderer zwischen den Welten: Er arbeitete als Professor für Sprachen in Marokko, als Museumsführer im Madrider Prado und Bergarbeiter in Essen. Da er in Uruguay wegen seines Engagements für die Bolivianische Untergrundbewegung auf der Schwarzen Liste stand, entführte er 1965 ein Flugzeug von Montevideo nach Havanna und übersiedelte nach Kuba. Dort lehrte er zwölf Jahre als Universitätsprofessor Alte Sprachen und klassische Literatur, bis er 1978 seinen ersten Roman Joy veröffentlichte. Seitdem ist er als Schriftsteller und Drehbuchautor tätig.

Die Wunderdroge wurde 1992 mit dem Premio Hammet Internacional, der höchsten Würdigung für Thriller in spanischer Sprache, ausgezeichnet. Im Mittelpunkt des Romans steht die packende persönliche Geschichte eines Agenten-Paares. Jaime, der tollkühne Sohn eines blaublütigen spanischen Militäroberst, kämpfte als Fremdenlegionär an allen Fronten, bis er den strategisch-politischen Kampf im Kuba der 50er Jahre entdeckt. Seine Nichte und spätere Geliebte Jimena schlägt Jaime als die weibliche Vollstreckerin des Planes Usher vor. Als Ärztin soll sie auf Castros Insel ausgewählten mittleren Funktionären ein anti-sozialistisches Bewußtsein „einimpfen“.

Genauso bei der „Einpflanzung“der schönen Agentin ins CIA-Milieu wie bei den Laborberichten von Psychiatern und Biochemikern aus der hochtechnologisierten Maschinerie der Washingtoner CIA-Zentrale beweist sich Chavarría als ein bravouröser Meister der Fiktion authentischer Faktizität, die er in einer unglaublichen Dichte vermittelt.

Gabriela Greeß

Daniel Chavarría: „Die Wunderdroge“, Wilhelm Heyne Verlag, München 1996, 492 Seiten, 14.90 Mark

Lesung: heute, 19.30 Uhr, Werkstatt 3, Nernstweg 32-34

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