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Haftbefehl vergessen

■ Verdächtiger in Österreichs Briefbombenserie konnte entkommen

Wien (taz) – Ein 62jähriger Computerfachmann, Gerichtssachverständiger und ehemaliger Parlamentsberater in Sachen Datenschutz wird dringend verdächtigt, die Bekennerschreiben der als Bajuwarische Befreiungsarmee (BBA) auftretenden Briefbombenattentäter verfaßt zu haben. Mehrere Persönlichkeiten, die sich für die Belange von Ausländern einsetzten, wurden seit dem Jahr 1993 durch Briefbomben schwer verletzt. Den Attentaten folgten regelmäßig Bekennerschreiben an die Presse. Wie das Nachrichtenmagazin Profil in seiner jüngsten Ausgabe berichtet, wurde der Verdächtige bereits am 13. Mai in seinem Haus in Niederösterreich gestellt. Doch mangels Haftbefehl konnte er nicht festgenommen werden. Seither ist er verschwunden. Warum sich die Sicherheitsbeamten keinen Haftbefehl besorgt hatten, bleibt ein Rätsel.

Denn der Computeringenieur wurde seit Monaten mit der Bajuwarischen Befreiungsarmee in Verbindung gebracht. Die Fahnder stießen bei der Durchsuchung des Holzhauses des Verdächtigen immerhin auf ein Schreiben der BBA, das sich nach kriminaltechnischer Untersuchung als Original eines Briefes herausstellte, der dem Nachrichtenmagazins News im vergangenen Jahr zugesandt worden war. Der Briefkopf stimmte überdies mit dem eines Pamphlets überein, das im Dezember bei Profil eintraf.

Ob der flüchtige Briefschreiber für die Absendung der Briefbomben selbst verantwortlich war, diese nur ideologisch rechtfertigte oder gar durch die explosiven Pakete erst nachträglich zu seinen Tiraden inspiriert wurde, um die Behörden noch mehr zu verwirren, ist gegenwärtig noch Gegenstand von Spekulationen. Die vermutlich aus seiner Feder stammenden und auf dem beschlagnahmten Computer und Drucker geschriebenen Bekennerbriefe verraten jedenfalls große Detailkenntnis über Vorgangsweise und Pläne der fremdenfeindlichen Attentäter. Ralf Leonhard

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