: Gericht läßt Safwan Eid hoffen
Erwartungsgemäß bereitete das Lübecker Landgericht das Ende der Beweisaufnahme im Brandprozeß gegen Safwan Eid vor. Prozeßbeteiligte halten Freispruch für wahrscheinlich ■ Aus Lübeck Jan Feddersen
Am Ende lief alles nach Fahrplan. Der 55. Verhandlungstag im Prozeß um den Brand im Flüchtlingsheim an der Lübecker Hafenstraße – so das Übereinkommen nach einem vor drei Wochen stattgefundenen Telefonat zwischen der Anwältin des Angeklagten Safwan Eid, Gabriele Heinecke, und Staatsanwalt Michael Böckenhauer – sollte auch der letzte vor den Plädoyers sein.
Danach, so hatte auch der Vorsitzende Richter Rolf Wilcken beiden Parteien angedeutet, sollten die Schlußbewertungen vorgetragen werden. Herauskommen würde dabei ein Freispruch für den Angeklagten. Denn wie die taz schon gestern berichtete, gehen Lübecker Justizkreise davon aus, daß auch die Ankläger den Beschuldigten freisprechen wollen – im Zweifel für den Angeklagten.
Doch zunächst gab Böckenhauer den Befund einer polizeilichen Ermittlung bekannt, der während seines zweiwöchigen Urlaubs erstellt wurde: Danach hat die Lübecker Polizei eine neue Zeugin aufgetan. Sie will von Sylvio Amoussou, der im Vorbau des Asylbewerberheims verbrannte, am Abend zuvor gehört haben, daß er Angst vor einem Betreten des Hauses gehabt habe. Der Grund: Streit um angebliche Drogengeschäfte. Safwan Eid sei aus diesem Grund mit den meisten Hausbewohnern zerstritten gewesen. Staatsanwalt Böckenhauer gab jedoch gleich bekannt, daß er diese Recherche „nicht interpretieren“ wolle. Der Ankläger ging offenbar selbst davon aus, daß diese neue Aussage den Prozeß nicht um eine relevante Facette erweitern könnte. Das Richterkollegium muß dies ähnlich gesehen haben: Nach einer halbstündigen Beratungspause, währendder einige Teilnehmer aus dem Safwan-Eid- Unterstützerkreis in der Gerichtskantine betonten, wie „gemein dieser Böckenhauer“ doch sei, gab Richter Wilcken bekannt, daß „das Aktenstück keinen Anlaß“ biete, „weiter tätig zu werden“.
Eids Anwältin ließ es sich trotzdem nicht nehmen, den „beweisunerheblichen“ Vortrag der Staatsanwaltschaft als weiteres Indiz für dessen „Voreingenommenheit“ zu schelten.
Aber auch ihre Worte waren letztlich nichts anderes als Geplänkel: Heinecke, Böckenhauer wie auch die Nebenkläger erklärten sich bereit, alle noch ausstehenden 50 Beweisanträge unter den Tisch zu kehren – ein sicheres Zeichen, den Weg zu einem raschen Prozeßende zu bereiten. Richter Wilcken hatte auf diese goldenen Worte nur gewartet – hatte er doch bereits vor Monatsfrist in einer vorläufigen Beweiswürdigung erklärt, daß die über 100 Zeugen und Sachverständigen wenig bis gar nichts zur Erhellung der Brandkatastrophe vom Januar 1996 beitragen konnten. Die richterlichen Worte signalisierten der Staatsanwaltschaft, daß sie, wie Gabriele Heinecke gestern knapp anmerkte, „keine andere Wahl hat, als auf Freispruch zu plädieren“.
Allein: Zwei der Nebenklageanwälte, die ehemalige Hausbewohner vertreten, schwänzten wie meist die Verhandlung. Deshalb konnte Richter Wilcken gestern die Beweisaufnahme formal nicht schließen. Zwar wies Jan Torsten Mohr, ebenfalls Anwalt eines der überlebenden Brandopfer, darauf hin, daß seine beiden Kollegen gewiß damit einverstanden wären, die Behandlung der Beweisanträge zu stornieren.
Aber das Gericht mochte sich auf derlei Hörensagen nicht verlassen: Kommenden Mittwoch soll die Staatsanwaltschaft mit ihrem Plädoyer beginnen – sofern zuvor auch die dem Angeklagten zugeneigten Nebenklageanwälte einmal die Reise von Hamburg nach Lübeck dazu nutzen, um vor Gericht zu erscheinen.
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