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Menschenstadt statt Stadt der Macht

■ Tagung der PDS zur Stadtentwicklung und -planung unter feministischem Blickwinkel

Die PDS betritt Neuland. Was in der Bundesrepublik vor mehr als zwei Jahrzehnten in einer „unter geschlechtsspezifischem Blick formulierten umfassenden Kritik an der vorherrschenden Stadtentwicklung“ begann, ist nun auch im Osten Thema und „bewegt viele Menschen“. Grund genug für die Organisatorin der PDS-Konferenz, Elke Herer, in Berlin zu einer zweitägigen Konferenz über feministische Sichten auf Stadtplanung, Stadtentwicklung und Verkehr zu laden. Thema: „Gleichberechtigte Stadt – Stadt der Menschen, nicht der Macht“.

Dabei geht es um weit mehr als um weibliche Ästhetik. „Was Männer eine ,Schlafstadt‘ nennen, ist für Frauen der alltägliche Wohn- und Lebensraum“, konstatierte die Dortmunder Professorin Ruth Becker die Misere. Männer fahren zur Arbeit und kehren oft erst am Abend in ihre Wohnviertel zurück. Frauen, Kinder und ältere Menschen dagegen verleben hier ihren Alltag – in Siedlungen mit unzureichender Infrastruktur.

Ruth Becker fordert daher seit Jahren, bewußter im Interesse von Frauen zu bauen, und schließt: Frauen sollten von Anbeginn Einfluß auf städtebauliche Entwicklungen haben.

Jüngstes Beispiel dafür in Berlin ist die Forschungsarbeit von vier Geographinnen der FU, die unter feministischem Blickwinkel 1995/96 eine Studie über ein vom Senat ausgewiesenes Sanierungsgebiet im Bezirk Pankow erstellten. Das Viertel um die Wollankstraße ist gekennzeichnet von einem Mangel an Handels- und Dienstleistungsflächen, kleine Geschäfte aus DDR-Zeiten wurden nach 1990 geschlossen. Busse und Straßenbahnen fahren lediglich während des Berufsverkehrs häufig genug, um den Bedürfnissen der Frauen gerecht zu werden, die hier zu 84 Prozent die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Es fehlt an Spielplätzen, und aufgrund des Geburtenknicks nach der Wende droht einer der wenigen Vorzüge des Sanierungsgebietes – kurze Wege zu Kita und Schule – auch noch wegzubrechen.

Wie weit die in der Studie ausgearbeiteten Belange von Frauen auch tatsächlich Eingang in die Sanierung des Quartiers finden, bleibt abzuwarten. Denn anders als zum Beispiel in Hessen, wo es seit einem Jahr eine verbindliche frauenspezifische Bauleitplanung gibt, die Bauherren mit Fragen konfrontiert wie „Sind Kinderspielplätze von überallher einsehbar?“ oder „Sind Einkaufsmöglichkeiten auch zu Fuß innerhalb von zehn Minuten zu erreichen?“, ist in Berlin das Ziel einer kleinräumigen Mischung von Wohnen, Arbeit, Versorgung und Erholung in der Regel nur eine Sache von Modellprojekten.

Als Beispiel dafür gilt die Internationale Bauausstellung (IBA) 1987, als kurz vor Ultimo noch ein Plätzchen für Ausländer und Frauen zur Verfügung gestellt wurde. Die Toparchitektin Zaha Hadid nutzte genauso wie Christiane Jachmann und Myra Wahrhaftig die Gunst der Stunde. Entstanden ist jenes spitze Wohnhaus an der Dessauer Straße gegenüber vom Gropius-Bau. Kathi Seefeld

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