: Krank kommt geil
■ Hoffnung für Kontaktgestörte! Die "Spice Girls" des OPs sind da: "Geliebte Schwestern" (täglich 19.10 Uhr, Sat.1)
Krank zu sein, das ist, wenn man es ernsthaft angeht, keine schöne Sache. Das tut weh, ist langweilig und wird häufig von unangenehmen Gerüchen begleitet. Um uns das Kranksein noch mieser zu machen, gibt es Dr. Horst Seehofer. Der hat sich ziemlich angestrengt und die „Gesundheitsreform“ erdacht, um kranke Leute auch noch arm zu machen. Selbst im Gesundheitswesen Tätige werden durch diese Reform bedacht und nicht nur von lästigem Geruch befreit, sondern auch von ihrer Arbeit.
Das Krankheitswesen, ein Bereich ohne Zukunft also? Nichts, was die trendorientierte, konsumgeile Jugend zu fesseln vermag? Sie ins Krankenlager treibt oder auf den Ausbildungsplatz? Sollte man meinen. Doch der regierungsnahe Optimistensender Sat.1 zeigt uns jetzt täglich ein anderes Bild. Hatte man noch angesichts der hauseigenen Produktion von „alphateam – Lebensretter im OP“ gehofft, niemals, wirklich niemals krank zu werden, zeigt uns die neue Vorabendserie „Geliebte Schwestern“ jetzt: Krank sein ist toll. Krank sein macht Spaß. Krank ist einfach das Beste, was einem passieren kann. Vor allem als Kontaktgestörter.
Schon der Vorspann läßt ahnen, worum es den fünf jungen Lernschwestern, die merkwürdigerweise lieber Scheiße wegwischen, als Model geworden zu sein, wirklich geht: Sie wollen vögeln. Ist ja klar. Und damit das auch wirklich klar wird, zeigt bereits der Vorspann BH-verkleidete Busen, nackte männliche Oberkörper und sich unter Ärzteblicken schminkende Schwestern.
Schnell wird deutlich, daß Florence Nightingale eine überholte Schwesterngattung verkörpert und auch die ewige Witta Pohl, die derzeit als Hebamme durch die ARD geistert, mit ihrem Altruismus nicht up to date ist. Die Schwestern von heute sind lebenshungrig. Sie haben Fun im Kopf und unter dem weißen Kittel nur wenig an. Sie wären lieber Polizistin geworden oder benutzen das „Akademische Hospital“ als „Sprungbrett für ein Leben als Arztgattin“ wie das Sat.1- Presseheft zu berichten weiß. Ihnen ist klar, welche Wirkung ihre weißen Kittel haben. „Männer stehen drauf“ und sitzen lieber an der Pferderennbahn rum, als sich prüfen zu lassen. Und obschon die Soap-Ikone „Lindenstraße“ allwöchentlich zeigt, daß Serie auch mit anspruchsvolleren Handlungssträngen als „Ich Tarzen, du Jane“ schön ist, hat das Produktionsteam mit Anachronismen und Klischees billiger Arztromane nicht gespart: Frauen kommen außer als Krankenschwester nur als Ehefrauen vor – betrogen versteht sich. Die soweit einzige Ärztin im Team bumst nicht nur mit ihrem Chef sondern auch mit dessen Sohn (wie sonst sollte sie ihren Job halten?!), die Oberschwester ist ein böser Drache, und der Professor versäumt es nicht, seinen Sekretär darauf hinzuweisen, daß er einen Maserati fährt, ohne den er sich „wie ein halber Mensch“ fühlt.
Es sind insbesondere die Arztserien, die ein Gesellschaftsbild zeigen, das selbst hinter der Realität zurückbleibt. Das allerdings hat kaum einen Serienabhängigen von seiner Sucht befreien können. Bleibt abzuwarten, ob die „Geliebten Schwestern“ die Soap-Junkies in ihren Bann ziehen können. Durch die der Optik sehr gefälligen Besetzung haben die Schwestern gute Chancen, zu den „Spice Girls des OPs“ zu werden und jüngstes Beispiel das „alphateam“ hat gezeigt, daß es bei SAT 1 nicht auf Qualität ankommt, um ein Millionenpublikum zu begeistern. Silke Burmester
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen