„Wir brauchen keine Raucherpolizei“

■ Am Samstag war Welt-Nichtrauchertag: Ernst-Günther Krause, Vizepräsident der Nichtraucher-Initiative Deutschlands, über die Tabakpolitik. Werbeverbot wäre Fortschritt

taz: Die US-Nichtraucherbewegung hat sich zu einer furchterregenden gesellschaftlichen Kraft entwickelt. Warum bleiben Sie und Ihre Mitstreiter hierzulande vergleichsweise blaß?

Ernst-Günther Krause: Die US- Bewegung ist stark, aber nicht furchterregend. Ihre Stärke liegt in der Mentalität der Amerikaner begründet. In den USA hat das einzelne Individuum und sein persönliches Wohlergehen einen ganz anderen Stellenwert als bei uns. Können Sie sich vorstellen, daß der US- Präsident Kettenraucher ist. Niemals! Präsident und Abgeordnete werden direkt gewählt, dabei schneiden Raucher eindeutig schlechter ab.

Die Amerikaner setzen stark auf den juristischen Weg im Kampf gegen die Tabakkonzerne und erzielen spektakuläre Erfolge.

Das US-Prozeßrecht ist anders. Man darf aber nicht übersehen, daß einige Prozesse auch verloren wurden. Die Konzerne haben inzwischen eine Reihe von Klägern in den Vergleich gezwungen oder zur Kapitulation. Die Prozeßrisiken sind erheblich.

Gleichzeitig hat in einigen Staaten der USA eine regelrechte Jagd auf die Raucher eingesetzt.

Nein, das stimmt nicht.

Jugendliche werden in einigen Städten in Arrestzellen gesperrt, wenn sie auf der Straße paffen.

Das sind extreme Negativbeispiele. Aber wenn man sich wirklich ernsthaft vornimmt, die Jugend vor Drogen zu schützen, dann muß man etwas gegen das Nikotin unternehmen. Außerdem ist Rauchen nun mal mit einer Belästigung für andere Menschen verbunden. Das unterscheidet Nikotin vom Alkohol, vom Kaffeetrinken und von anderen Drogen, und deshalb muß man für den Nichtraucherschutz etwas tun.

Eine Initiative von 136 Politikern aus allen Parteien hat eine Gesetzesinitiative gestartet, um das Rauchen in öffentlichen Gebäuden und am Arbeitsplatz zu verbieten...

...und in den öffentlichen Verkehrsmitteln, das ist sehr wichtig.

Aber die Initiative kommt nicht so richtig voran.

Immerhin wird sie von Frau Merkel, der Umweltministerin, unterstützt, von Frau Süßmuth und Frau Bergmann-Pohl aus dem Gesundheitsministerium. Es geht vorwärts, wenn auch nicht so schnell, wie wir es gern hätten. Leider hat der Agrarausschuß mit seiner bekannt starken Tabaklobby dagegen gestimmt.

Können Sie denn belegen, daß die Tabakindustrie in Bonn mitmischt?

Nehmen Sie den Abgeordneten Rupert Scholz von der CDU. Er hat angekündigt, alles zu unternehmen, damit das Gesetz nicht verabschiedet wird. Zugleich ist Scholz Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Verum, eine Einrichtung der Zigarettenindustrie. Die Tabakindustrie sponsert außerdem die Parteitage von großen Parteien. Die technischen Anlagen für die Presse werden von Tabakfirmen zur Verfügung gestellt. Und auch die Parteizeitschriften werden durch Anzeigen von der Zigarettenindustrie alimentiert.

Sind Sie mit dem geplanten Nichtraucher-Schutzgesetz eigentlich zufrieden? Das immer wieder geforderte Werbeverbot für Zigaretten bleibt doch außen vor.

Das ist eben ein reines Schutzgesetz. Unsere Kritik daran ist eine andere: der gastronomische Bereich fehlt. Wir wollen das Rauchen ja nicht verbieten, aber Gastwirte und Restaurantbesitzer sollten schon aufgefordert werden, Nichtraucherzonen einzurichten. Der Nichtraucher will ja auch am sozialen Leben teilnehmen, ohne belästigt zu werden.

Glauben Sie, daß mit polizeilichen Mitteln gegen Verstöße eingeschritten wird?

Wir brauchen keine Raucherpolizei. Die gibt es nirgendwo. Wenn klar ist, daß Verstöße sanktioniert werden, dann werden die Vorschriften auch eingehalten – erst recht in Deutschland. Schon heute gibt es ja viele Rauchverbote – etwa in der U-Bahn –, die weitgehend eingehalten werden.

Was müßte die Tabakindustrie tun, damit Sie zufrieden wären?

Der Fortschritt wäre ein Werbeverzicht. Das wird vielleicht wahr, weil in Großbritannien ein Regierungswechsel stattgefunden hat. Wenn die dortige Regierung den EU-Kommissionsvorschlag für eine drastische Beschränkung der Werbung annimmt, dann bekommen wir gegen die Stimmen von Deutschland, Griechenland, die Niederlande und Dänemark eine qualifizierte Mehrheit. Interview: Manfred Kriener