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Schwacher Schlagabtausch

■ ExpertInnen konnten bei Tierversuchs-Hearing in der Bürgerschaft kaum überzeugen

„Wir lehnen Tierversuche grundsätzlich ab“und „Tierversuche sind unabdingbar für die moderne Forschung in der Medizin“. Auf diese zwei gegensätzliche Grundthesen beschränkte sich gestern in der Bürgerschaft ein öffentliches Hearing vor rund 200 BremerInnen zu der geplanten Berufung des Frankfurter Hirnforschers Andreas Kreiter als Professor an die Bremer Universität. Altbekannte Thesen wurden aufgewärmt, tiefgreifendere Begründungen nicht geliefert. Kurzum: Es war ein schwacher Schlagabtausch zwischen TierversuchsgegnerInnen und den BefürworterInnen der medizinischen Forschung an Tieren.

Dies hat in der Hansestadt zu heftigen Kontroversen mit TierschützerInnen geführt. Anlaß genug für die Bremer Universität, ExpertInnen beider Seiten zum Schlagabtausch einzuladen. Kreiter selbst stellte zunächst seine Versuche und Intentionen vor. Danach werden den Affen nach einer kleinen Operation Sonden in das schmerzunempfindliche Gehirn eingeschoben. Daran lassen sich bei bestimmten Versuchsreihen Hirnströme messen, die wiederum Rückschlüsse auf Mechanismen im Hirn schließen lassen. Den Affen werde dabei nicht mehr zugemutet als einem Hund, dem man beibringt, in ein Auto einzusteigen.

Was konkret bei seinen Versuchen an Ergebnissen herauskommen oder wie diese für die Medizin gewinnbringend umgesetzt werden können, all dies blieb Kreiter dem gespannten Publikum schuldig. Auch Günter Schwendemann, Direktor der neurobiologischen Abteilung vom Zentralkrankenhaus Ost, lieferte keine einleuchtenden Erklärungen für den aktuellen Sinn und Zweck der Versuche. Er wartete lediglich mit einem 50 Jahre alten Nachweis über Tierversuche auf. Noch weniger greifbar waren die Ausführungen des Tübinger Max-Planck-Direktors Kirschfeld.

Eben den Aspekt des Sinn und Zwecks von Tierversuchen griff darum auch Brigitte Rusche vom deutschen Tierschutzbund auf. „Der Bogen, den Kreiter von seinem Experiment zu Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson sschlägt, ist nicht nachzuvollziehen.“Europäische Versuchsreihen hätten bewiesen, daß es in der medizinischen Forschung keine Einbrüche geben werde, wenn Tierversuche ab dem Jahr 2005 verboten würden. Wie etwa neue Medikamente in die Erprobung gehen sollen, sagte sie nicht. Dies ist nun mal zur Zeit üblich mit Tierversuchen. Rusche sagte nichts dazu.

Wolfgang Apel vom Bremer Tierschutzverein hackte zudem mehr auf Kreiter denn auf Tierversuchen herum. Kreiter sei unehrlich in seiner Darstellung. Darum sei die ganze Berufung eine Farce. Seine zentrale Forderung, weniger Geld für Tierversuche, mehr Mittel für Bedürftige, paßte nicht so recht zur Diskussion. Immerhin: Er schlug Kreiter um die Ohren: Die Tiere müssen leiden. Beweisen konnte er es nicht.

Die zwei interessantesten Redebeiträge kamen schließlich aus dem Publikum und damit von Nicht-ExpertInnen. So forderte Bürgerschaftsvizepräsident Hermann Kuhn eine neue Debatte angesichts von Versuchen an Tieren. „Durch das Klonen haben wir gesehen, daß die Wissenschaft sich selbst beschränken muß. Den Gestzesspielraum auszunutzen, ist oftmals unverantwortlich.“Er brachte auch als erster die ethische Dimension mit ins Spiel. „Wenn diese Makaken uns vor allem auch in ihrem Leidensempfinden so ähnlich sind, daß Experimente an ihnen auf den Menschen übertragbar sind, dann kann ich das nur als ethisch höchst bedenklich bezeichnen.“Auch die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Helga Trüpel meldete sich zu Wort. Da weder die Nützlichkeit von Tierversuchen anschaulich begründet wurde noch eine Alternative geboten wurde forderte sie: „Der Uni Bremen stünde es gut zu Gesicht, einen neuen Weg zu beschreiten und gerade auf dem Gebiet, wie Tierversuche ersetzt werden können, zu forschen.“ Jeti

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