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■ StandbildAnämische Banker

„Tatort – Das Totenspiel“, So., 20.15 Uhr, ARD

Glück für den Finanzplatz Frankfurt, daß an der Börse keine ARD-Krimis gehandelt werden. Der neueste „Tatort“ vom Hessischen Rundfunk hätte den Kurs wohl ins Bodenlose sinken lassen.

So aber war es der Einschalt- Index, der leiden mußte. Denn nicht nur die betrogene Bankiersgattin schleppte sich völlig anämisch durch die Handlung, fast die ganze Besetzung ließ es langsam angehen: Doris Kunstmann hatte ihr Gesicht auf maliziöses Dauerlächeln gestellt – obwohl sie streng genommen gar nicht wissen konnte, daß ihr Mann gar nicht tot, sondern nur mit neuer Frisur untergetaucht war. Und in der tschechischen Pathologie übte man sich fleißig in einer Art Karel-Gott-Sprache, als hätte der Verband der Sudetendeutschen die Synchronisation übernommen.

Wer mag es ihm da verdenken, daß Kommissar Brinkmann angesichts derartiger Drehbuchschwächen gleich ganz die Ermittlungen einstellte und es dabei beließ, kurz vorm Abspann den gestellten Täter in Empfang zu nehmen. Schade, denn so durfte ausgerechnet sein dummdreister Assistent den kriminologischen Aktivpart übernehmen.

Was blieb, waren neben einem kleinen netten Handgemenge, bei dem die Kugel auf direktem Weg in das Vorstandsgehirn sauste, einige schöne Aufnahmen von Karlsbad, in dessen steilen Straßen die Hauptverdächtige das Sherlock-Holmes- Spielen als Alternative zur Psychotherapie entdeckte. Und da tschechische Kellner und Straßenkinder anscheinend nur darauf warten, daß sie von einer durchgeknallten Deutschen nach dem Weg zum Mörder gefragt werden, hatte sich selbige erstaunlich schnell in dessen Fänge manövriert. Pech gehabt, nennt man das eigentlich, wenn da nicht ein nach allen Seiten offenes Drehbuch als Vorlage gedient hätte: Und so stand, noch ehe der böse Bube den Ätherbausch gegen Effektiveres eintauschen konnte, urplötzlich der tschechische Kommissar in der Tür – als hätte ihn Pan Tau dorthin gezaubert.

Vielleicht sollte man die Frankfurter Krimis doch lieber den großkalibrigen Schlitzohren wie Hilmar Kopper oder Hans Tietmeyer überlassen. Ist zwar nicht so gut für die Börse, dafür aber für die Zuschauer. Oliver Gehrs

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